Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
1.
An Bord des Seelenfängers
»Erst mal hier rein!« Mit diesen Worten wurden die drei Gefangenen in einen engen halbdunklen Bretterverschlag im Unterdeck geschubst, dann verriegelte jemand den Zugang. Kaum hatten sie sich wiedergefunden, waren sie von der schwarzen Galeone eingeholt worden und in Gefangenschaft geraten. »Fühlt euch ganz wie zu Hause, der Käpt'n hat bald Zeit für euch.«
»Wenigstens gönnen sie uns ein paar Momente füreinander«, murmelte Finn. »Schnell, erzählen wir uns alles, jede Information kann uns nutzen.«
Milt, der sich an die Bordwand gelehnt hatte, rutschte langsam zu Boden und blieb einfach sitzen.
Laura war mit einem Satz bei ihm und kniete neben ihm nieder. »Milt, was ist mit dir?«, fragte sie voller Schrecken.
»Es geht schon«, flüsterte er schwach. Er war sehr blass, auf seiner Stirn perlte der Schweiß, obwohl es im Raum kühl war.
»Es ist sein Herz.« Finn berichtete ihr in kurzen Worten, dass Milts Lebenszeit in Innistìr wegen seines schwachen Herzens wohl schneller ablief als die der anderen.
Lauras Augen füllten sich mit Tränen. »Noch mehr Opfer ...«
»Ich werde durchhalten, das verspreche ich dir.« Milt keuchte. »Du bist jetzt da, und das verleiht mir neue Kräfte. Ich brauche nur ein wenig Ruhe ...«
»Toll«, erwiderte sie leise schluchzend. »Fokke hat uns in seinen Krallen und wird sowieso alles Leben aus uns saugen und dann unsere Seelen nehmen und sie leer trinken ...«
»So weit dürfen wir es eben nicht kommen lassen.«
»Laura, du musst uns jetzt sagen, was passiert ist«, sprach Finn sanft dazwischen. »Wir wissen, dass der Dolch weg ist und Alberich entkommen. Arun und Nidi sind deswegen losgeflogen, um ihn zu suchen. Aber was genau ist geschehen?«
In stockenden Worten setzte Laura die beiden Männer in Kenntnis. Als die Sprache auf Angela und Felix kam, konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Tragödie gewann noch dadurch an Tragweite, dass Sandra vor wenigen Stunden in Vedas Lager gestorben war und Luca nun der Letzte seiner Familie war. Laura konnte sich nicht vorstellen, dass seine Eltern überlebt hatten.
Zuletzt kam sie auf die Flucht und die Assassinen zu sprechen und auf etwas, das ein wenig Hoffnung bot: Hanin hatte ihr vom Meister vom Berge ausrichten lassen, dass es einen zweiten Palast gab. In der Nachbarschaft von Morgenröte – und dass die Chancen äußerst groß waren, dass Königin Lan-an-Schie und ihr Mann Robert dort in ihrer eigenen Falle gefangen saßen.
»Wenn Arun und Nidi sich um den Dolch kümmern, ist es meine Aufgabe, den Palast zu finden«, schloss sie. »Und die beiden herauszuholen.«
»Wie willst du das anstellen?«, wollte Finn wissen.
»Ich weiß nicht genau«, gab sie zu. »Aber ich habe schon den einen oder anderen Weg gefunden. Vielleicht gibt es dahin einen warmen Pfad. «
»Schön, dass ihr über etwas redet, zu dem es vielleicht nie kommen wird«, sagte Milt kurzatmig dazwischen. »Oder denkt ihr, wenn wir Barend Fokke höflich bitten, wird er uns gehen lassen?«
Laura seufzte. »Ich glaube nicht, dass er sich noch einmal auf ein Schachspiel mit mir einlassen wird. Wobei er diesmal sowieso gewinnen würde, denn Felix ... ist fort. Und ohne ihn kann ich gar nicht spielen.«
»Was könnten wir sonst versuchen?« Finn war anzusehen, dass er sich den Kopf zerbrach.
»Als ob es ein Strafgericht für mein bisheriges Versagen wäre«, murmelte Laura niedergeschlagen.
Milt tastete nach ihrer Hand. »So darfst du niemals denken! Es kann nicht das gesamte Schicksal Innistìrs auf deinen Schultern lasten. Wo haben denn die anderen nicht versagt? Im Gegenteil ist es doch so, dass ohne dich schon lange alles zusammengekracht wäre. Es hat eben einen Rückschlag gegeben, na und? Es ist nicht der erste und wird nicht der letzte sein ...«
»Oh doch!«, unterbrach Finn. »Es ist der letzte. Uns bleiben wenig mehr als drei Wochen, wenn ich mich nicht verzählt habe. Das bedeutet, wir müssen uns ranhalten – vor allem du, Milt! Und du, Laura, du musst dich auf ein neues Duell mit Fokke einlassen. Fordere ihn heraus! Er will sich an dir rächen, aber wenn du ihn aufs Neue dazu reizt, eine Herausforderung anzunehmen, verschafft uns das Zeit. Zeit, die wir nutzen können, um seine Schwachstelle herauszufinden.«
»... oder das Geheimnis seines Fluches.« Laura nickte langsam. »Vielleicht ist ihm ja gerade daran gelegen. Und wenn nicht, so wird ihn der Nervenkitzel reizen. Denn welche
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