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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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und holte seine Pfeife hervor.
    Capt’n Anthony Roach kochte. Er wollte sich das jedoch nicht anmerken lassen, sondern Abstand, Ansehen und Ordnung auf leicht gedämpfte Weise wahren. Die zerstreute Asche blies er vom Tisch, richtete die Augen wieder auf das Notizbuch und setzte sein bis dahin nur in Gedanken geführtes Selbstgespräch laut fort in einer Haltung, als ob der andere überhaupt nicht vorhanden sei.
    »Viertens streichen wir den gefangenen Indsman.« Er deutete mit der Bleistiftspitze auf einen Deckel, der in den Boden eingelassen war und zu dem Kellerraum unter dem Kommandantenzimmer führte. »Seit acht Tagen ist der Kerl da unten im Hungerstreik.«
    Der Lederbekleidete auf der Wandbank hatte seine Pfeife zum Brennen gebracht, schaukelte sie im rechten Mundwinkel, fing eine Fliege, zerdrückte sie und wies Roach mit einer Bewegung seines starken Kinns darauf hin, daß er weniger reden und lieber die überbrachten Briefe öffnen sollte.
    Anthony Roach ließ sich von dem anderen unwillkürlich bestimmen. Er schloß die Kuriertasche auf, griff zum Brieföffner, schlitzte die Umschläge sehr konkret auf und entnahm ihnen die Schreiben. Er las genau, krauste die Nase und strich einen der Bogen auf der eichenen Tischplatte glatt, während er die anderen wieder zusammenfaltete. Das Blut stieg ihm in seine mattfarbenen Wangen.
    »Freilassungsbefehl!« Roach zischte das Wort.
    Der Lederbekleidete deutete mit dem Daumen auf den Deckel der Kellerluke. »Freilassung? Doch nicht etwa für den da unten?!«
    Anthony Roach lächelte so erbost wie boshaft. »Und dieses Schreiben bringt mir ausgerechnet Red Fox!«
    Der Lederbekleidete sprang von der Wandbank auf, kam zu Roach heran und spuckte seine Pfeife auf die eichene, von einem Brand etwas verkohlte Tischplatte. »Hätt ich gewußt, was da drin steht! Verdammte Waschbärengehirne, Aasfresser! Den …«, er wiederholte die Bewegung des Daumens in Richtung des Kellerdeckels, »… den … freilassen?!«
    Roach steckte sich eine neue Zigarette an. Er war sehr nervös, und der Tabak fing erst beim dritten Versuch Feuer. »Du bist Red Fox! Schrei nicht wie ein Baby!«
    Der andere mäßigte seine Lautstärke nicht. »Grün wie Gras sind die Herren in der Stadt an ihrem Schreibtisch! Aber ich kenne die Prärie und den jungen Burschen da unten: Ein Scharfschütze und Messerheld ist das, Jägerblut, Häuptlingsehrgeiz und Rachsucht!«
    Red Fox stampfte auf.
    Anthony Roach weidete sich an der Wut des anderen, die ihm die eigene erleichterte. Er sprach langsam und betonte jedes Wort: »Du hast seinen Alten umgebracht, nicht ich.«
    »Aber du, Anthony Roach, hast ihn als Parlamentär gefangennehmen lassen! Wenn der Bursche noch einmal freigelassen wird, träumst du nachts von einem langen Messer, Anthony!«
    Roach ließ sich hinreißen: »Lange genug hast du Zeit gehabt, ihm den Garaus zu machen!« Er strich Asche ab und beherrschte sich wieder. »Einen Befehl … führe ich aus. Das weitere – deine Sache.«
    »Leider nicht nur meine, sondern auch seine Sache.« Red Fox versuchte wieder, eine Fliege zu fangen, die ihm aber entkam. »Wir werden ja sehen. Das eine ist sicher, Anthony Roach: Du läßt mir den Burschen nicht lebend aus dem Keller heraus. Verstanden?« Red Fox holte sich seine Pfeife wieder.
    Roach spielte mit leicht zitternden Fingern an seinem Bleistift. »Benimm dich, wie es dir zukommt, du Präriewolf. Noch bin ich Capt’n, und du bist nichts. Das Thema ist erledigt. Hole mir jetzt Tobias.«
    Red Fox blies durch die Lippen. »… aber zum letztenmal dein Laufbursche! Der Indianerkrieg ist aus, ich quittiere den Dienst als Scout. Auf der Reservation braucht der Stellvertreter des stellvertretenden Agenten einen tüchtigen Dolmetscher, der mit Crazy Horse und seinen Leuten dakota sprechen und notfalls noch mal schießen kann. Ich gehe, und den kurznasigen Pitt nehme ich mit mir. Gehab dich wohl, Anthony, in deiner palisadenumringten Hundehütte hier!«
    Red Fox klopfte die Pfeifenasche auf die Tischplatte. Seine rötlichen Haare hatten sich im Nacken gestellt wie die eines gereizten Hundes. Er verließ den Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
    Roach war wieder allein. Er stand auf und ging auf und ab. Die Pfeifenasche auf der Tischplatte erregte als Zeichen der Unordnung seinen Unwillen. Aber es widersprach auch seiner Würde und seiner Ordnungsliebe, soviel Asche wegzublasen. Dieser frech gewordene Spießgeselle! Und derart ungehörige Schreiben! Wie

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