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Über den Ursprung des Übels

Titel: Über den Ursprung des Übels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albrecht von Haller
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sich ergießt.
Wie daß, o Heiliger! du dann die Welt erwählet,
Die ewig sündiget und ewig wird gequälet?
War kein vollkommner Riß im göttlichen Begriff,
Dem der Geschöpfe Glück nicht auch entgegenlief?
 
    Doch wo gerat ich hin? wo werd ich hingerissen?
Gott fodert ja von uns zu tun und nicht zu wissen!
Sein Will ist uns bekannt, er heißt die Laster fliehn
Und nicht, warum sie sind, vergebens sich bemühn.
Indessen, wann ein Geist, der Gottes Wesen schändet,
Die Einfalt, die ihm traut, mit falschem Licht verblendet
Und aus der Oberhand des Lasters und der Pein
Lehrt schließen, wie die Welt, so muß der Schöpfer sein,
Soll Manes im Triumph Gott und die Wahrheit führen?
Soll Gott verleumdet sein und uns kein Eifer rühren?
Ist stummer Glauben gnug, wann Irrtum kämpft mit Witz,
Und ihm zu widerstehn erwarten wir den Blitz?
Nein, also hat sich noch die Wahrheit nicht verdunkelt,
Daß nicht ihr reiner Strahl durch Dampf und Nebel funkelt;
So schwach ihr Glanz auch ist, kein Irrwisch bleibt vor ihr,
Ihr Stammeln hat mehr Kraft als aller Lügen Zier.
 
    O daß die Wahrheit selbst von ihrem Licht mir schenkte!
Daß dieses Himmels-Kind den Kiel mir selber lenkte!
Daß ihr sieghafter Schall, der durch die Herzen dringt,
Beseelte, was mein Mund ihr jetzt zu Ehren singt!

Zweites Buch
               
Im Anfang jener Zeit, die Gott allein beginnet,
Die ewig ohne Quell und unversiegen rinnet,
Gefiel Gott eine Welt, wo, nach der Weisheit Rat,
Die Allmacht und die Huld auf ihren Schauplatz trat.
Verschiedner Welten Riß lag vor Gott ausgebreitet,
Und alle Möglichkeit war ihm zur Wahl bereitet;
Allein die Weisheit sprach für die Vollkommenheit,
Der Welten würdigste gewann die Würklichkeit.
Befruchtet mit der Kraft des Wesen-reichen Wortes
Gebiert das alte Nichts; den Raum des öden Ortes
Erfüllt verschiedner Zeug; die regende Gewalt
Erlieset, trennet, mischt und schränkt ihn in Gestalt.
Das Dichte zog sich an, das Licht und Feuer ronnen,
Es nahmen ihren Platz die neugebornen Sonnen;
Die Welten wälzten sich und zeichneten ihr Gleis,
Stets flüchtig, stets gesenkt, in dem befohlnen Kreis.
Gott sah und fand es gut, allein das stumme Dichte
Hat kein Gefühl von Gott, noch Teil an seinem Lichte;
Ein Wesen fehlte noch, dem Gott sich zeigen kann,
Gott blies, und ein Begriff nahm Kraft und Wesen an.
So ward die Geister-Welt. Verschiedne Macht und Ehre
Verteilt, nach Stufen Art, die unzählbaren Heere,
Die, ungleich satt vom Glanz des mitgeteilten Lichts,
In langer Ordnung stehn von Gott zum öden Nichts.
Nach der verschiednen Reih von fühlenden Gemütern
Verteilte Gott den Trieb nach angemeßnen Gütern;
Der Art Vollkommenheit ward wie zum Ziel gesteckt,
Wohin der Geister Wunsch aus eignem Zuge zweckt.
Doch hielt den Willen nur das zarte Band der Liebe,
So daß zur Abart selbst das Tor geöffnet bliebe
Und nie der Sinn so sehr zum Guten sich bewegt,
Daß nicht sein erster Wink die Waagschal überschlägt.
Dann Gott liebt keinen Zwang, die Welt mit ihren Mängeln
Ist besser als ein Reich von Willen-losen Engeln;
Gott hält vor ungetan, was man gezwungen tut,
Der Tugend Übung selbst wird durch die Wahl erst gut.
Gott sah von Anfang wohl, wohin die Freiheit führet,
Daß ein Geschöpf sich leicht bei eignem Licht verlieret,
Daß der verbundne Leib zu viel vom Geiste heischt,
Daß das Gewühl der Welt den schwachen Sinn beräuscht
Und ein gemeßner Geist nicht stets die Kette findet,
Die den besonderen Satz an den gemeinen bindet.
Zu Gottes Freund ersehn, zu edel für die Zeit,
Vergessen wir zu leicht den Wert der Ewigkeit;
Des Äußern Zauber-Glanz verdeckt die innre Blöße,
Die stärkre Gegenwart erdrückt des Fernern Größe.
Wer ists, der allemal der Neigung Stufe mißt,
Wo nur das Mittel gut, sonst alles Laster ist?
Kein endlich Wesen kennt das Mitsein aller Sachen,
Und die Allwissenheit kann erst unfehlbar machen.
Gott sah dies alles wohl, und doch schuf er die Welt;
Kann etwas weiser sein als das, was Gott gefällt?
Gott, der im Reich der Welt sich selber zeigen wollte,
Sah, daß, wann alles nur aus Vorschrift handeln sollte,
Die Welt ein Uhrwerk wird, von fremdem Trieb beseelt,
Und keine Tugend bleibt, wo Macht zum Laster fehlt.
Gott wollte, daß wir ihn aus Kenntnis sollten lieben
Und nicht aus blinder Kraft von ungewählten Trieben;
Er gönnte dem Geschöpf den unschätzbaren Ruhm,
Aus Wahl ihm hold zu sein und nicht als Eigentum.
Der Taten Unterscheid wird durch den Zwang gehoben:
Wir loben Gott nicht

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