1778 - Das Wappen der Medusa
Es war etwas, das man mit Gold nicht aufwiegen konnte. Etwas Wundersames und Wunderbares. Etwas Göttliches und Menschliches zugleich. Etwas, auf das man stolz sein konnte, das einen weiterbrachte und vor allen Dingen Macht gab.
Die Schlacht hatte in den Hügeln stattgefunden. Wie viele Kämpfer daran teilgenommen hatten, wusste er nicht. Er sah nur die Toten, die sich an den Hängen verteilten. Manche der Männer lebten noch und lagen im Sterben, ihnen half niemand mehr. Sie stöhnten und flehten um Hilfe.
Sie würden sie nicht erhalten, denn auch Kristos konnte nichts für sie tun.
Er ging seinen Weg und hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Er spürte den warmen Wind, der gegen ihn wehte und einen strengen Geruch mitbrachte. Es roch nach Blut und Staub und vielleicht sogar nach Angst, aber da war er sich nicht sicher. Hier durfte er nicht mehr nachdenken, hier musste er seinen Verstand abschalten. Das würde ihn nur belasten.
Manchmal, wenn er zu Boden schaute, sah er in die Gesichter der Toten oder Sterbenden. Dann bekam er ihre Blicke zu spüren und drehte den Kopf schnell zur Seite.
Der Kampf hatte im Morgengrauen stattgefunden. Inzwischen war einige Zeit vergangen und es war wärmer geworden. Die Sonne hatte ihre Wanderung aufgenommen und schickte erste helle Strahlen auf die Erde nieder.
Kristos Kabenis wusste, dass er sein Ziel noch nicht erreicht hatte. Er musste zur Kuppe des Hügels gelangen. Erst dort würde er den letzten Schritt gehen können.
Je weiter er kam, umso größer wurden die Abstände zwischen den Toten. Wenn er jetzt mal nach unten schaute, dann nicht nur immer in die gezeichneten Gesichter, sondern auch gegen den Fels und die Steine, die den Boden bedeckten.
Es gab hier keinen Baum, keinen Strauch, keine einzige grüne Insel. Nur von der Sonne erhitztes graues Gestein.
Aber wenn er den Kopf hob, dann sah er bereits die Felsen, die sein Ziel waren. Er schwitzte, er keuchte. Irgendwann blieb er stehen und legte eine Pause ein. Mit dem Handrücken wischte er über seine Stirn und putzte sich den Schweiß weg. Sein Atem pfiff, und trotzdem war Kristos glücklich, denn so nahe wie jetzt hatte er sein Ziel noch nicht gesehen. Der einzige Nachteil bestand aus dem steilen Weg, aber den würde er auch noch schaffen.
Kabenis musste weiter, bevor die Sonne noch höher kletterte und auf ihn nieder brannte. Alles war wichtig, jede Einzelheit. Er hatte sie in seinem Gedächtnis gespeichert und wusste genau, wann er sie abzurufen hatte.
Jetzt war er froh darüber, eine Lanze mitgenommen zu haben. Die konnte er benutzen wie einen Stock, denn der Weg war recht steil. Jeder Schritt fiel ihm schwer, aber er kämpfte sich voran. Was er zu finden hoffte, war alle Strapazen der Welt wert.
Er lachte. War es ein Lachen, weil er alles richtig gemacht hatte?
So genau wusste er das nicht. Jedenfalls musste er weiter.
Und dann hatte er es fast geschafft. Die Steigung lag hinter ihm. Das Plateau war erreicht und mit ihm die Felsen, die wie verschieden große Finger vor ihm in die Höhe ragten.
Ja, das war es. Er hatte es geschafft und atmete tief durch. Die Wärme war da, die Strahlen der Sonne brannten gegen seinen Rücken, aber das störte ihn nicht mehr.
Einen Blick zurück wollte er nicht werfen, weil er wusste, dass es keine Verfolger gab, und die Leichen wollte er sich auch nicht anschauen. Es gab nur den Weg nach vorn. Aber er musste noch den Beginn finden.
Die Felsen standen da und gaben ihm keine Antwort. Aber Kristos wusste, dass er hier fündig werden würde. Er musste nur den Eingang finden, und deshalb begann er mit seiner Wanderung an der Breitseite der Felsen entlang, wobei er sie nie aus den Augen ließ und sie angestrengt absuchte. Seine Augen brannten bald. Ab und zu hatte er den Eindruck, eine Lücke zu sehen, was sich wenig später immer als eine Täuschung herausstellte. Er gab trotzdem nicht auf, machte weiter, ging Schritt für Schritt und tastete mit seinen Blicken die Wand ab.
Plötzlich blieb er stehen. Seine Augen weiteten sich. Fast hätte er es übersehen. Ein langer Stein stand vor und setzte sich von den anderen ab. Er hatte auch ein besonderes Aussehen, denn er war an einer Kante fast glatt geschliffen worden. Das konnte durchaus von Menschenhand stammen.
Kristos Kabenis wurde nervös. Sein Atmen glich schon mehr einem Hecheln. Seine Augen wurden eng, und er peilte eine bestimmte Stelle an, die ihm wichtig erschien. Sie war nicht markiert. Das musste sie auch
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