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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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entgegenfiebert...«
    Nein, mir reicht es, dachte er, und begann in Richtung der Landzunge mit dem Kraftwerk zu gehen.
    ALS ER IN DIE NÄHE des Werkes kam, bemühte er sich, möglichst viel Lärm zu machen, er räusperte sich, klatschte in die Hände, pfiff mißtönend vor sich hin. Die Gillies schätzten es gar nicht, wenn Menschen sich ihnen ohne Vorwarnung näherten.
    Er war noch immer fünfzehn Meter entfernt, als er zwei Kiemlinge aus dem Werk auf sich zuwatscheln sah.
    In der Dunkelheit wirkten sie wie Titanen. Sie ragten hoch über seinem Kopf auf, gestaltlos in der Finsternis, und die winzigen gelben Augen glommen wie Laternen in den mikrozephalen Köpfen.
    Lawler vollzog das Grußzeichen, betont überdeutlich, damit keinerlei Zweifel an seinen friedfertigen Absichten aufkommen könne.
    Einer der Gillies reagierte mit einem langgedehnten Schnarrlaut, wruuum, der aber gar nicht freundlich klang.
    Es waren mächtige, aufrechtgehende zweibeinige Geschöpfe von zweieinhalb Metern Höhe, und ihre Leiber waren von dichten Lagen schwarzer gummiartiger Borsten bedeckt, die in dichten Zotten an ihnen herabhingen. Die Köpfe waren absurd klein im Vergleich dazu, winzige Kugelgebilde über den mächtigen Schultern, von denen aus die Leiber fast bis zum Boden auswuchteten zu sackartigen, schwerfällig plump wirkenden Körpern. Die Menschen vermuteten allgemein, daß die gewaltigen Höhlungen der Brust bei den Gillies wohl neben Herz und Lunge auch das Gehirn bergen müßten. Denn in diesen winzigen Köpfen war zweifellos kaum Platz für so etwas.
    Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren die Gillies ursprünglich einmal Aquarianer gewesen. Das ließ sich etwa daran erkennen, wie ungraziös sie sich an Land bewegten, und mit welcher Leichtigkeit sie schwammen. Sie verbrachten fast soviel Zeit im Wasser wie auf der Insel. Lawler hatte einmal beobachtet, wie ein Gillie vom einen Ende der Bucht bis zum anderen schwamm, ohne auch nur einmal aufzutauchen, um Luft zu holen; und für die Strecke brauchte er etwa zwanzig Minuten. Die kurzen stämmigen Stummelbeine waren offenbar eine Weiterbildung aus Flossen. Auch ihre Arme wirkten wie Flossen - dickliche kräftige Gliedmaßen, die sie ziemlich dicht an die Flanken gedrückt hielten. Die Hände wiesen drei lange Finger und einen gegenüber beweglichen Greifdaumen auf, waren außergewöhnlich breit und formten sich leicht zu breiten Schaufeln, mit denen sich größere Wasservolumina verdrängen ließen. Vor Millionen von Jahren stiegen die Vorfahren dieser Geschöpfe - in einem unglaublichen, verblüffenden Akt der gewollten Umgestaltung der Spezies aus dem Meer und errichteten sich insulare Wohnstätten, die sie aus meereseigenen Materialien zusammenknüpften und durch raffinierte Barrikaden gegen die unablässigen Gezeitenschwälle sicherten, die ihren Planeten umkreisten. Aber dennoch blieben sie Ozeanier, Geschöpfe der See.
    Er trat den beiden entgegen, so nahe er sich getraute, und signalisierte: Ich-bin-Lawler-der-Doktor.
    Beim Sprechen preßten Gillies die Arme an ihre Flanken und drückten so Luft durch tiefe kiemenähnliche Schlitze in der Brust, was wie dröhnende Orgeltöne klang. Den Menschen war es nie gelungen, diese Tonsprache in einer für die Gillies verständlichen Weise zu imitieren, und diese ihrerseits zeigten nicht das geringste Interesse daran, die Sprache der Menschen zu erlernen. Vielleicht war beiden Spezies die Erzeugung der Sprachlaute der jeweils anderen einfach unmöglich. Dennoch war eine Kommunikation zwischen ihnen einfach nötig, und so hatte sich im Laufe der Jahre eine Art Zeichensprache entwickelt. Die Kiemlinge orgelpfiffen die Menschen auf gillianisch an, und die Menschen antworteten mit Gestensprache.
    Der Kiemling, der zuerst gesprochen hatte, gab erneut das Schnauben von sich und setzte einen besonders abweisenden Pfeif-Schniefton darauf. Die Flipperflossen waren zu der pantomimischen Stellung gespreizt, die Lawler als Ausdruck des Zornes erkannte. Nein, nicht Zorn, sondern Wut. Höchste Wut.
    Hoppla, dachte er. Was ist denn hier los? Was hab ich denn falsch gemacht?
    An der Rage des Gillie war nicht zu zweifeln. Jetzt vollführte er knappe Schubsbewegungen mit den Flossen und ‚sagte’ eindeutig: Geh weg! Verschwinde! Beweg deinen Hintern - aber rasch!
    Verdutzt signalisierte Lawler: Ich-habe-keine-böse-Absicht. Ich-komme-um-zu-verhandeln.
    Wieder das abweisende Schnauben, lauter diesmal, dunkler. Es vibrierte aus dem Bodenbelag des Weges,

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