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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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und Lawler spürte es in den nackten Sohlen seiner Füße.
    Man hatte schon gehört, daß Gillies Menschen getötet hatten, die ihnen auf den Nerv gingen, und sogar solche, die das nicht getan hatten; eine beunruhigende, unerklärliche Tendenz zu abrupten Gewaltausbrüchen. Dem Anschein nach kaum je absichtlich - nur der ärgerliche Ausrutscher einer Flosse, ein rascher verächtlicher Kick, gedankenlose Trampelei... Sie waren eben so groß und stark, und sie schienen nicht zu begreifen, wie verletzlich die Körper von Menschen sein konnten (oder aber, es kümmerte sie nicht).
    Der zweite Gillie, der Größere, kam ein, zwei Schritte näher. Sein Atem kam heftig, pfeifend und wenig freundschaftlich. Er bedachte Lawler mit einem Blick, den er sich nur als erhaben, desinteressiert und abweisend interpretieren konnte.
    Lawler signalisierte Erstaunen und Betroffenheit. Und erneut freundliche Intentionen. Er signalisierte anhaltende eifrige Gesprächsbereitschaft.
    Die Augen des ersten Gillie funkelten weiter unmißverständlich zornig. Hinweg! Fort! Verschwinde!
    Nun, das war unzweideutig genug. Jeder Versuch eines weiteren Palavers wäre sinnlos gewesen. Es war offensichtlich, daß sie ihn nicht in die Nähe des Kraftwerks lassen wollten.
    Also gut, dachte er. Dann macht doch, was ihr wollt!
    Noch nie zuvor hatten ihn Gillies derart wie Dreck behandelt; doch in diesem Moment umschweifig zu erklären, er sei doch ihr guter alter Freund, der Inseldoktor und sein Vater habe sich ehemals ihnen doch als recht nützlich erwiesen, das wäre jetzt einfach schlichte gefährliche Idiotie gewesen. Mit einem einzigen Klatsch eines ihrer Flipper konnten sie ihm das Rückgrat zertrümmern und ihn hinaus in die Bucht schleudern.
    Er wich also zurück, behielt aber die Gillies dabei genau im Auge, denn er hatte vor, mit einem Rücksalto ins Wasser zu hechten, falls sie ihm bedrohlich näherrücken würden.
    Aber die Gillies blieben an Ort und Stelle stehen und folgten nur mit glosenden Augen seinem Davonschleichen. Als er den Hauptweg wieder erreicht hatte, machten sie eine Kehrtwendung und verschwanden wieder in ihrem Gebäude.
    Na, und damit hätte sich das wohl, dachte Lawler.
    DIE ABSONDERLICHE ZURÜCKWEISUNG kränkte ihn tief. Er blieb eine Weile am Geländer über der Bucht stehen und ließ die Angespanntheit nach der unerfreulichen Begegnung in sich verebben. Sein grandioser Plan, in dieser Nacht ein Abkommen zwischen den Hydranern und den Menschen zu erwirken, war - das erkannte er inzwischen nur allzu klar - purer romantischer Unsinn gewesen. Rasch verflüchtigte sich die Idee, die nichts weiter war als blauer Dunst, und eine kleine Weile zuckte eine physiologische Störung heiß über seine Haut.
    Na dann also. Zurück zu seinem Vaargh. Und auf den Tag warten. Was blieb ihm sonst?
    Eine scharfe Stimme hinter ihm sagte: »Lawler?«
    ERSCHROCKEN FUHR ER herum. Sein Herz rumpelte. Er spähte in das schon mit Grau gemischte Dunkel. Mit Mühe machte er die Gestalt eines kleinen untersetzten Mannes mit dichtem langen und filzig wirkenden Haarschopf aus, der zehn, zwölf Meter weiter innen auf der Insel im Schatten stand.
    »Delagard? Bist du das?«
    Die untersetzte Gestalt trat vor. Ja, es war Delagard. Der selbsternannte Rudelführer der Insulaner, der Topmixer und Unruhestifter. Was hatte der um diese Stunde hier herumzuschleichen, verdammt noch mal?
    Delagard schien ständig irgendwelche riskanten Tricks zu planen, selbst wenn dies gar nicht der Fall war. Er war kurzbeinig, dabei jedoch nicht klein oder zierlich, vielmehr von kräftiger Gestalt und nur eben sozusagen ziemlich ‚bodenständig’, mit wuchtigem Nacken, massiven Schultern, und deftigem Bauch. Er trug einen knöchellangen Sarong, die breite, von Zotteln bedeckte Brust war nackt. Sogar jetzt in der Düsternis schimmerte der Wickelrock und changierte zwischen Scharlachrot, Türkis und leuchtendem Rosa. Delagard war der reichste Mann in der Humankolonie, was immer dies in einer Welt bedeuten mochte, in der Geld als solches bedeutungslos war, weil es kaum etwas gab, wofür man es hätte ausgeben können. Wie Lawler war auch er gebürtiger Hydraner, doch anders als er besaß er Geschäftsbetriebe auf mehreren anderen Inseln und reiste ziemlich viel umher. Und er war etliche Jahre älter, vielleicht so an die achtundvierzig, fünfzig.
    »Du bist aber heut ziemlich früh schon unterwegs, Doc«, sagte Delagard.
    »Das bin ich doch meistens, wie du sicher weißt.« Lawlers

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