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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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anderen für einige Zeit ersparen. Aber nein. Nein, er konnte ihm nicht entkommen. Die ERDE würde ihn stets und immer verfolgen.
    Dort hing sie am Himmel über Sorve: ein wundervoller blaugrüner Ball. Und drehte sich langsam und präsentierte ihre schimmernden Meere, ihre grandiosen gelbbraunen Kontinente. Über die Maßen schön war sie, dieses leuchtende Juwel im Himmel. Er sah die Gebirgsketten über die Rücken der Kontinente ragen wie schartige graue Zähne. Über den Spitzen breitete sich rein und weiß Eisschnee. Und Lawler stand auf dem obersten Kamm des hölzernen Dammes seiner kleinen Insel und ließ sich davon-, hinauftreiben in den Himmel, und er stieg weiter, bis er Hydros verlassen hatte und weit draußen im Weltraum über der blaugrünen Kugel schwebte, die einst die ERDE war, und auf sie niederschaute wie ein Gott. Dann sah er die Städte: Haus um Haus, nicht oben zugespitzt wie ein Vaargh, sondern breit und flach, über unermeßliche Weiten eines neben dem anderen, und dazwischen breite Verkehrswege. Und auf denen bewegten sich Leute, Tausende, viele Tausende, eilig zu Fuß, und manche fuhren in kleinen Kutschen, die aussahen wie über Land fahrende Boote. Über ihnen in der Luft hingen die geflügelten Geschöpfe, die ‚Vögel’ hießen, wie die Gleiter und die anderen Hadros-Fische, die er kannte und die fähig waren, zu kurzen Flügen über die Wasseroberfläche hinaus in die Luft zu stoßen. Aber hier flogen sie die ganze Zeit in der Luft und schwebten großartig dahin und umkreisten den Planeten unermüdlich in unendlichen, weiten Bögen. Und zwischen den Vögeln waren auch Maschinen, die fliegen konnten. Sie waren aus Metall und glatt und glänzend, mit kurzen Flügeln und langen, tubusförmigen Leibern. Lawler sah sie vom Angesicht der ERDE aufsteigen und mit unglaublicher Geschwindigkeit über weite Entfernungen fliegen, wobei sie die Bewohner der ERDE von Insel zu Insel, von Stadt zu Stadt, von Kontinent zu Kontinent trugen, ein so ausgedehnter Verkehr, daß ihm beim Zusehen die Seele zu taumeln und kreisen begann.
    Er schwamm durch Dunkelheit, weit über der leuchtenden blau-grünen Welt, und er beobachtete und wartete, und er wußte, was als nächstes geschehen würde, und fragte sich hoffnungsvoll, ob es vielleicht diesmal nicht geschehen werde.
    Aber natürlich geschah es. Wie früher. Wie er es so vielmals durchlebt hatte, mit Schweißausbrüchen aus allen Poren und Muskelkrämpfen vor Schrecken und Angst. Und niemals gab es vorher eine Warnung. Es fing einfach an: Die heiße gelbe Sonne schwoll plötzlich an, wurde noch heller und monströs mißgestaltet - und die gezackte Feuerzunge züngelte durch den Himmel...
    Und von den Hügeln und aus den Tälern stiegen die Flammen empor, aus den Wäldern und den Häusern. Die kochenden Meere. Die verbrannten Ebenen. Die schwarzen Aschewolken, die den Himmel verfinsterten. Und das geschwärzte Land, das aufbrach. Die nackten häßlichen Berge, die sich auf den zerstörten Feldern türmten. Der Tod, Tod, Tod...
    Stets wünschte er sich, er könne aufwachen, ehe es soweit kam. Doch es gelang ihm nie, und er mußte stets alles bis zum Ende sehen, auch die kochenden Meere, auch die zu Asche verbrannten grünen Wälder.
    DER ERSTE PATIENT am nächsten Morgen war Sidero Volkin, einer von Delagards Schiffszimmermännern. Er hatte sich einen Feuerwurmdorn in der Wade geholt, während er im seichten Wasser vom Kiel eines der Boote eine zu dick angewachsene Schicht von Pungmuscheln entfernte. Etwa ein Drittel von Lawlers Patienten kam mit Wunden zu ihm zur Behandlung, die sie sich im harmlosen, seichten Wasser der Bucht zugezogen hatten. Diese seichten und sanften Gewässer wurden nämlich nur allzu häufig von Geschöpfen heimgesucht, die es sich angelegen sein ließen, menschliche Wesen zu stechen, zu beißen, zu zersäbeln, zu speeren, in sie einzudringen oder sie auf andere Weise zu plagen.
    »Das Biest ist direkt am Boot entlang auf mich zugeschwommen und aufgetaucht und hat mich angeglotzt«, sagte Volkin. »Ich mit dem Beil auf den Kopf los, und der Schwanz kommt von der anderen Seite rüber und sticht mich. Das Mistviech, ich hab es dann halbiert, aber das bringt mir jetzt wenig.«
    Die Wunde war schmal, aber tief und bereits entzündet. Diese Feuerwürmer waren lange, sich windende Geschöpfe, die scheinbar nichts weiter waren als zähe biegsame Röhren mit einem unangenehmen kleinen Maul am einen und einem gemeinen Stachel am anderen Ende.

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