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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Hautkrebs, und bei dem hat der sich richtig durch die Haut reingefressen und er ist gestorben. Aber du, du kümmerst dich um uns, du beschützt uns.«
    »Ich tu, was ich kann.« Dankbarkeitsäußerungen seiner Patienten machten ihn immer verlegen. Er selber kam sich meist wie ein Fleischhauer vor, wenn er sie mit derart urzeitlichen Methoden traktieren mußte, während auf anderen Planeten - hatten jedenfalls die berichtet, die von draußen gekommen waren - den Ärzten alle nur erdenklichen Wunderbehandlungen zur Verfügung standen. Dort benutzten sie Schallwellen und Elektrizität und Strahlen und alles mögliche andere, was er kaum begriff, und sie hatten Medikamente, die alles in fünf Minuten heilen konnten. Während er sich mit selbstgemachten Salben und Tränklein aus Seetang begnügen mußte, mit improvisierten Instrumenten aus Holz und dem einen und anderen Stückchen Eisen oder Nickel. Immerhin, er hatte der Patientin die Wahrheit gesagt: Er tat wirklich, was er nur konnte.
    »Wenn ich mal was für dich tun kann, Doc, dann brauchste das bloß zu sagen. Jederzeit.«
    »Das ist sehr freundlich von dir«, sagte er.
    Neyana kroch hinaus. Nicko Thalheim kroch herein. Er war wie Lawler auf Sorve geboren und ebenso Abkömmling einer Ersten Familie mit einem Pedigree über fünf Generationen bis zu den Tagen, als der Planet noch Strafkolonie war. Nicko war eine der führenden Persönlichkeiten der Insel, ein derber rotgesichtiger Mann mit dickem Genick und ausladenden Schultern. Als Kinder waren er und Lawler Spielgefährten gewesen, und auch jetzt waren sie noch gute Freunde. Insgesamt gab es sieben Thalheims auf der Insel, machten also ein Zehntel der Humanbevölkerung aus. Nickos Vater, seine Frau, seine Schwester und seine drei Kinder. Es war ungewöhnlich, daß eine Familie drei Kinder hatte. Thalheims Schwester hatte sich vor etlichen Monaten der Klosterfrauengruppe am anderen Ende der Insel angeschlossen; sie war jedermann inzwischen unter dem Namen ‚Schwester Boda’ bekannt. Thalheim war über ihren Profeß nicht erfreut gewesen.
    »Läuft der Eiter aus dem Abszeß gut ab?« fragte Lawler.
    Thalheim hatte eine Infektion in der linken Achselhöhle. Lawler vermutete, daß ihn da irgendwas in der Bucht gestochen haben könnte, doch Thalheim verneinte das. Es war eine hartnäckige Sache und eklig, immer wieder floß Eiter heraus. Lawler hatte den Abszeß schon dreimal geschnitten und zu säubern versucht, aber er hatte sich immer wieder neu entzündet. Beim letztenmal hatte er vom Weber Harry Travish aus Seeplastik eine kleine Auffangröhre fertigen lassen und sie festgesteckt, damit darin der Eiter aufgefangen und von der entzündeten Stelle weggeleitet werde.
    Er hob nun den Verband ab, zerschnitt die Stichnaht, durch die der Auffangtubus festgehalten wurde, und inspizierte die Entzündung. Die ganze Haut im Umkreis war gerötet und fühlte sich unter den Fingern heiß an.
    »Tut höllisch weh«, sagte Thalheim.
    »Ja, und es sieht auch ziemlich übel aus. Tust du auch wirklich die Medizin drauf, die ich dir gegeben habe?«
    »Aber sicher mach ich das.«
    Es klang nicht überzeugend. Lawler sagte: »Das kannst du halten, wie du willst, Nicko. Aber wenn sich die Entzündung ausbreitet und den Arm runterwandert, werde ich dir vielleicht den ganzen Arm amputieren müssen. Meinst du, du kannst auch mit nur einem Arm richtig weiterarbeiten?«
    »Ist ja bloß mein linker, Val.«
    »Das kann ja wohl kaum dein Ernst sein.«
    »Nein. Natürlich nicht.« Er stöhnte knurrend, als Lawler die Geschwulst erneut berührte. »Also, vielleicht hab ich ja mal einen Tag auf die Medizin vergessen, oder vielleicht auch zwei. Tut mir leid, Val.«
    »In einiger Zeit wird es dir noch viel mehr leid tun.«
    Und kühl und ohne Zimperlichkeit säuberte Lawler den Infektionsherd, als schnitte er an einem Stück Holz herum. Thalheim blieb bei der Prozedur stumm und bewegte sich nicht.
    Als Lawler den Drainagetubus wieder anheftete, sagte Thalheim auf einmal: »Wir kennen uns schon sehr lange, Val.«
    »Ja, fast vierzig Jahre.«
    »Und uns hat es alle beide nicht gedrängt, auf eine andere Insel zu gehen.«
    »Ich bin nie auf so einen Gedanken gekommen«, sagte Lawler. »Aber davon mal abgesehen, ich war schließlich hier der Doktor.«
    »Genau. Und mir hat es einfach hier gefallen.«
    »Ja«, sagte Lawler. Worauf wollte er hinaus?
    »Weißt du, Val«, sprach Thalheim weiter. »Ich hab drüber nachgedacht, über diese Geschichte, daß

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