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Ueber die Liebe und den Hass

Ueber die Liebe und den Hass

Titel: Ueber die Liebe und den Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachida Lamrabet
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Dass sie den neuen Job mit der Zeit erträglich fände. Dass er endlich einsähe, was er da angerichtet hatte. Dass er endlich etwas unternehmen würde.
    An der roten Ampel trommelte Calixe nervös auf dem Lenker herum. » En a marre, en a marre «, summte sie leise, als sie wieder weiterfahren konnte.
    Am nächsten Tag ging sie, nachdem sie David bei der Tagesmutter abgegeben hatte, bei der Vermittlung vorbei. Die Assistentin rief eine Tagesmutter aus der Umgebung an, die einen Platz frei hatte. Zu Calixes großem Erstaunen konnte sie sofort vorbeikommen und sich vorstellen.
    Die Frau, die ihr die Tür öffnete, war noch jung. Calixe folgte ihr ins Wohnzimmer. Im Wintergarten spielten Kinder mit Holzklötzen und Puzzles.
    Das Haus war hell, was Calixe sehr gefiel. Ihr war das Haus, die Umgebung, in der sie ihr Kind den ganzen Tag zurückließ, mindestens genauso wichtig wie die Tagesmutter selbst. Nur ein Haus mit genügend Licht und Platz kam für sie in Frage. Sie hätte es nicht übers Herz bringen können, David irgendwo abzugeben, wo sie es selbst keine halbe Stunde hätte aushalten können.
    Die junge Tagesmutter gab sich reserviert, aber freundlich. Calixe fand das in Ordnung, ihr gefielen Leute nicht, die ihr beim ersten Treffen auf den Rücken klopften, als sei sie eine ferne Verwandte, die zu Besuch vorbeikam. Sie war auch nicht der Typ, der viele Fragen stellte. Und wenn man sie etwas fragte, das ihrer Ansicht nach nicht zum Thema gehörte, antwortete sie nur mit einem missbilligenden Blick. Die Tagesmutter erzählte ihr, sie lasse die Kinder nach dem Essen einen Mittagsschlaf machen. Sie wollte wissen, ob David tagsüber noch viel schlafe.
    Auf dem Weg ins Pflegeheim fühlte sie sich ruhiger. Sie hatte nicht erwartet, dass alles so schnell wieder ins Lot kommen würde. David war ein geselliges Kind, er würde sich an dem neuen Platz rasch sehr wohl fühlen. Heute würde sie zum ersten Mal die Runde durch die Zimmer machen. Sie würde bei Zimmer 205 anfangen. Es machte sie nervös. Anne hatte ihr alles über die frühe Runde erklärt.
    Zimmer 205 hatte vor dem Frühstück seine Insulinspritze bekommen. Er hatte gemurrt und geflucht, und er hatte Anne vorgeworfen, sie würde die Spritze nicht richtig setzen. »Chagrin« würde das besser können. Anne erzählte, sie habe ihn gefragt, wer denn »Chagrin« sei, doch er hatte nicht geantwortet. Zimmer 200 beklagte sich über Rückenschmerzen in der Bandscheibengegend.
    Als Calixe das Zimmer betrat, saß er in einem Stuhl auf dem Balkon. Er trug ein dünnes, ärmelloses Unterhemd und eine hellblaue Schlafanzughose. In den Händen hielt er seinen Spazierstock, und er sah sich nicht um, als sie ins Zimmer kam und die Tür hinter sich schloss. Das Zimmer war klein, aber angenehm hell. Das Bett war noch nicht gemacht. Über dem Bettrand hing ein Hemd. Sie ging zur Balkontür. Er starrte vor sich hin und kümmerte sich nicht um ihre Anwesenheit. »Willst du krank werden?«
    Trotz des strahlend blauen Himmels war es noch frisch. »Komm wieder hinein und zieh dir etwas Warmes an.« Er starrte weiter vor sich hin.
    Über die Baumwipfel des kleinen Parks hinweg konnte man den Vorort erkennen, der ruhig und verlassen vor sich hin schlummerte. Ein paar Stunden zuvor waren die Bewohner in die Stadt zur Arbeit gehetzt. Eine einsame Katze durchstreifte die gepflegten Vorgärten.
    »Komm.« Sie stieß ihn sanft gegen die Schulter. Nun schaute er auf, von dem Wind, der ab und zu aufkam, hatte er feuchte Augen. Sie sah, dass er sich mehrere Tage nicht rasiert hatte.
    » T’as bien pris ton temps, hein ? Du hast dir ganz schön Zeit gelassen, was? « Seine Stimme klang rau, als hätte er seit Tagen nicht gesprochen.
    Als Antwort stieß sie ihn noch einmal an der Schulter an. Er platzierte den Stock an die richtige Stelle, hielt sich an der Balkonbrüstung fest und stand auf. Calixe stützte ihn am Unterarm. Vorsichtig schlurften sie ins Zimmer, wo es angenehm warm war.
    Sie öffnete den Kleiderschrank aus Birkenfurnier und wählte einen Pullover und eine Hose für ihn aus.
    Aus einer Schublade holte sie eine Unterhose und ein Unterhemd.
    »Wo liegen denn deine Socken?« Er setzte sich auf den Bettrand und sah sie an. Sie drehte sich um. »Wo sind sie?«
    » Quoi? Was?«, brummte er.
    »Deine Socken.«
    » J’en sais pas . Ich weiß nicht.«
    »Und wo kommen die her, die du jetzt trägst?«
    »Keine Ahnung, verdammt.«
    Calixe ging ins Badezimmer und ließ ein Bad einlaufen.

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