Überfall im Hafen
atmete flach wie
ein Maulwurf beim Winterschlaf. Von der Schulter hing ihm, wie Tim jetzt sah,
ein Einkaufsnetz. Es war leer.
„So wie er liegt, liegt er richtig“,
sagte Tim. „Er kann die Zunge nicht verschlucken und die Leber wird
durchblutet. Vom Standpunkt Erster Hilfe aus dürfen wir nichts verändern.“
„Hat man ihn so hingelegt? Oder ist er
zufällig so gefallen?“
„Es sieht nach Zufall aus. Im übrigen
glaube ich nicht, daß dieser schlechternährte Gartenzwerg einen Einbrecher kaschen
wollte. Den Bilk würde doch sogar deine Oma durch den Strohhalm pusten.“
„Was denn dann?“
„Bilk wohnt drüben. Vielleicht hat er
gesehen, daß der Einbrecher da war — und ist dann selbst gekommen. Zur
Nachlese.“
„Nachlese?“
„Um einzusammeln, was der Einbrecher
nicht wollte oder vergessen hat. Wozu sonst das Einkaufsnetz und die
Handschuhe? Die letzteren trägt er, um Fingerspuren zu vermeiden.“
„Ist ja ein Hammer!“ meinte Klößchen.
„Aber wenn der Einbrecher schon weg war — wer hat ihm dann die Kopfnuß
verpaßt?“
„Vielleicht war ein zweiter Einbrecher
noch im Haus? Oder Bilk hat sich geirrt, glaubte, die Luft sei rein, doch in
Wahrheit war sie dick. Oder der Einbrecher hatte seine Visitenkarten vergessen
und ist nochmal zurückgekommen.“
Klößchen reckte sich auf die
Zehenspitzen, um in den leeren Wandsafe zu sehen.
„Was da wohl drin war?“
„Das wird uns... Pst! Los, an die Wand
dort. Neben das Fenster?“
Das Geräusch kam von draußen. Sand oder
bröckliger Stein zerbrach unter einem Tritt.
Zu beiden Seiten des Fensters drückten
sie sich an die Wand. Klößchen hatte beim Einsteigen nur durch den Griff zur
Gardine eine Bauchlandung verhindert. Dabei war die Gardine in ihrer Schiene
weiter gerutscht. Sie schloß sich nahezu ganz.
Da es draußen heller war als hier drin,
erschwerte das den Einblick erheblich.
Tim linste. Jetzt stand die Gestalt vor
dem Fenster. Es war Martha Bilk, die spitznasige Frau des Bewußtlosen.
„Eduard!“ flüsterte sie schrill. „Heh,
was ist? Kriegst du den Safe nicht auf? Ich denke, du weißt die Zahlen. Wie
lange willst du denn noch hier bleiben, Dummkopf?“
„Den Safe habe ich geöffnet“, erwiderte
Tim - und bemühte sich, Bilks Stimme nachzuahmen. „Aber allein kann ich die
Beute nicht tragen. Faß gefälligst mit an, dumme Nuß.“
„Was? Du...“ Ihr Schrillton erstickte.
Sie begriff, daß nicht ihr holder Gatte der Gesprächspartner war. Der Schreck
bannte sie auf ihrem Platz vor dem Fenster.
Tim riß die Gardine beiseite. „Vielen
Dank für die Info. Jetzt wissen wir Bescheid.“
Offenen Mundes und giftig starrte sie
ihn an. Dann wanderte ihr Blick weiter. Schrill schrie sie auf.
Als sie bewußtlos zu Boden glitt, griff
Tim zu. Er erwischte einen Arm und verhinderte, daß sie hart aufschlug.
8. Großkreuz an der Schärpe — Gold und Email
Der Kripo-Kommissar hieß Ohnesorge.
Sieht aus wie ein Weihnachtsmann außer
Dienst, dachte Tim.
Immerhin war Ohnesorge glattrasiert.
Nur die freundlichen Äuglein und die roten Wangen forderten den Vergleich
heraus.
Was seine Ermittlungen betraf, war er
kein Weihnachtsmann, sondern er begriff in Sekundenschnelle, wie hier alles
gelaufen war.
„Ihr“, wandte er sich an die
TKKG-Bande, die etwas betröpfelt dastand, „habt natürlich den Krähen-Trick
durchschaut, aber statt uns zu benachrichtigen, Do-it-yourself (selbermachen) vorgehabt. Das ist ja nun in die Hose gegangen, weil ihr zu spät dran wart. Na,
immerhin! Die Herrschaften Bilk bleiben nicht ungeschoren.“
Martha, die Spitznasige, war wieder bei
Bewußtsein.
Inzwischen hatte sie gestanden, daß
auch ihr Mann auf den Krähen-Trick nicht reingefallen war — weil er den toten
Vogel vom Spaziergang her kannte.
Weißbergers Goldmünzen-Sammlung zu stehlen,
wäre Bilk beinahe gelungen. Doch nun hatte sich der unbekannte Einbrecher auch
daran bereichert.
Im Notarztwagen überwand Bilk seine
Ohnmacht. Noch bevor er ins Krankenhaus transportiert wurde, beschrieb er den
Täter.
Viel kam nicht dabei raus.
Ein Rocker. Blonder Bürstenschädel. 19
bis 20 Jahre. Das war alles.
Oma Sauerlich hatte Weißbergers
Hausschlüssel in Verwahrung. Deshalb brauchte keiner der Erwachsenen durchs
Fenster zu klettern. Hermann Sauerlich und seine drei Freunde waren nicht
dabei.
Vor dem offenen Safe sagte Oma: „Also,
da war ein Vermögen drin. Schrecklich! Otto wird sich grämen. Und der Orden ist
auch
Weitere Kostenlose Bücher