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Überfall im Hafen

Überfall im Hafen

Titel: Überfall im Hafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ließ. Die Herzroder Allee bot ein Bild des Friedens. Zwischen
den Pappeln war die Straße leer. Auch in den Einfahrten zeigte sich niemand.
    Offenbar ist weit und breit niemand zu
Hause, dachte Tim und rannte über die Straße.
    Die Villa gegenüber war etwas kleiner
als Omas Haus.
    Das Gejaule schien aus dem Dach zu
kommen. Dort oben beim Kamin flackerte auch tatsächlich Rotlicht — als
optisches (für die Augen) Signal.
    Tim lief in die geöffnete Einfahrt.
    Daß hier tatsächlich eingebrochen
wurde, hielt er für unwahrscheinlich. So blöd war kein Einbrecher. Aber
vielleicht brach Feuer aus, eine Decke stürzte ein, oder ein kleines Erdbeben
rüttelte an Weißbergers Haus.
    Er hastete an der Vorderfront entlang.
    Nichts.
    Auch die Seitenfront wirkte unversehrt.
Hinter hohen Fenstern hingen geschlossene Vorhänge.
    Er bog um die hintere Ecke und stand
auf der Terrasse.
    Sofort sah er, was los war.
    Die große Fensterscheibe neben der
Terrassentür war zersplittert. Allerdings nicht ganz — vielmehr wies die
Scheibe ein Loch auf, durch das ein Medizinball gepaßt hätte.
    Steinwurf! dachte er. Unerhört.
    Er trat dicht ans Fenster.
    Das Jaulen gellte ihm in die Ohren.
    Die Gardine war hier nicht ganz
geschlossen. Durch den Spalt sah er ein Stück vom Teppich.
    Dort lag eine Krähe. Sie war
offensichtlich tot. Ihr schwarzes Gefieder glänzte. Mit ausgebreiteten Flügeln
lag sie inmitten scharfkantiger Splitter.

    Armes Vieh! dachte Tim. Mit solcher
Wucht durch die Scheibe. Wahrscheinlich hat sie sich den Hals gebrochen.
    „Sind Einbrecher drin?“ tönte Klößchens
Stimme von der Ecke her.
    Zu dritt lugten Tims Freunde um die
Kante. Die Köpfe befanden sich übereinander — Modell Bremer Stadtmusikanten.
„Kein Einbrecher“, sagte Tim. „Krähe.“
    „Was?“ fragte Gaby.
    Sie kamen heran.
    Tim zeigte ihnen, was Sache war.
    „Die ist aber gewaltig vom Kurs
abgekommen“, meinte Karl. „Und jetzt? Soll die Sirene weiterheulen?“
    „Man versteht ja sein eigenes Wort
nicht“, rief Gaby.
    „Ich mache das“, meinte Tim.
    Karl sagte, er laufe mal rasch rüber,
um die Erziehungsberechtigten zu beruhigen. „Ich glaube, Herr Sauerlich ruft
schon die Funkstreife an.“
    Vorsichtig griff Tim durch das Loch in
der Scheibe.
    Er entriegelte das Fenster, stieg ein
und ruderte durch die bauschige Gardine.
    Es war ein großes, kostbar möbliertes
Zimmer mit holzgetäfelten Wänden und zahlreichen Gemälden.
    Aber dem schenkte er keine Beachtung.
    Hinter der Kellertür fand er den
Zentralkasten der Alarmanlage. Weil er technisch auf Draht ist, hatte er sich
mit den verschiedenen Systemen beschäftigt. Er wußte sofort Bescheid und schaltete
die Alarmanlage ab.
    Beim Fenster hob er die Krähe auf. Die
blicklosen Augen wirkten milchig. Sie war ziemlich schwer.
    Er hielt sie in einer Hand und stieg
wieder hinaus. Ohne den toten Vogel loszulassen, verriegelte er das Fenster.
    Gaby hatte feuchte Augen. „Der arme
Rabe!“
    „Ich glaube, es ist eine Krähe.“ Tim
wog sie in der Hand. Sein Blick war nachdenklich.
    „Die begraben wir, nicht wahr?“ meinte
Klößchen.
    Tim nickte. Sie gingen zurück.
    Erstaunlich! dachte Tim. So kann ich
mich doch nicht irren! Nein, kein Irrtum!
    Als sie auf die Straße traten, kam
ihnen Sauerlich mit Karl und Oma entgegen.
    Aber auch bei Weißbergers Nachbarn auf
derselben Straßenseite hatte Neugier die Furcht überwunden.
    Ein ältliches Paar trat durch die
Gartenpforte und spähte her.
    „Was war denn?“ rief der Mann. „Ich sah
euch reinlaufen.“
    Tim hob die Krähe. Aber dem Mann
genügte das nicht. Er kam heran, gefolgt von seiner Frau.
    „Tag, Frau Bilk, Tag, Herr Bilk!“ sagte
Oma.
    Sauerlich kannte die beiden. Die
TKKG-Bande wurde vorgestellt.
    Dann trug Tim zur allgemeinen Beruhigung
bei, indem er erzählte, daß kein Einbrecher, sondern die Krähe den Alarm
ausgelöst hatte — um den Preis ihres Lebens.
    „Aha!“ rief Bilk. „Darf ich den
Gefiederten mal aus der Nähe sehen?“
    Er ging um Tims Hand herum, betrachtete
den Vogel von allen Seiten, grauste sich aber, den Kadaver zu berühren.
    „Aha!“ sagte er abermals. „Völlig tot
offenbar.“
    „Es besteht keine Gefahr, daß sie Ihnen
was tut“, meinte Tim.
    „Wie? Ach so. Hahahah! Naja, es gibt
auch gefährliche Vögel.“
    „Knetegeier!“ nickte Klößchen. „Die
nehmen andern das Geld weg, weil sie so gierig sind.“
    „Ist übrigens die einzige Geier-Art,
die nicht vom Aussterben bedroht ist.“

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