Überfall im Hafen
Tim lachte. „Daher auch kein
Artenschutz. Knetegeier sind zum Abschuß freigegeben.“
Bilk tauschte einen raschen Blick mit seiner
Frau.
„Hauptsache, es sind keine Einbrecher
da“, meinte er. „n’ Abend!“
Sie trollten sich: ein glatzköpfiger,
etwas zwergiger Mann — der einen Ausdruck im Gesicht hatte, als wünsche er
allen das Schlimmste — und seine dürre Frau. Auch ihr stand die Mißgunst ins
Gesicht geschrieben.
„Die alte Hexe!“ flüsterte Oma. „Ich
kann sie nicht leiden. Martha Bilk redet über jedermann schlecht. Und Eduard
Bilk ist ein Quertreiber, der den Behörden ständig Ärger macht. Die beiden sind
hier mit allen verfeindet — aus eigener Schuld. Wir grüßen uns und wahren die
Form. Mehr aber nicht.“
Sie gingen zurück.
„Oma, wir wollen die Krähe begraben“,
sagte Klößchen. „In deinem riesigen Garten ist das sicherlich möglich. Wo
dürfen wir? Die Rosenbeete kommen natürlich nicht in Frage. Und bei den
Küchenkräutern wäre dir ein Krähen-Grab sicherlich auch nicht recht.“
Oma wies ihnen eine Stelle an hinten
beim Zaun.
Doch bevor gegraben wurde, jaulte
abermals eine Sirene.
Es war die der Funkstreife.
Ein Wagen mit zwei Mann Besatzung traf
ein.
Die TKKG-Bande überließ es Klößchens
Vater, den Uniformierten den Sachverhalt zu erklären.
„Wir schreiten jetzt zur Bestattung“,
sagte Tim. „Dabei habe ich euch was zu sagen. Anschließend werde ich mir die
Hände waschen. Denn die Krähe ist schon verdammt lange tot — auf jeden Fall
länger als fünf Minuten. Mindestens Stunden!“
*
Eduard Bilk war 62 Jahre alt, klein und
gebrechlich. Im allgemeinen bewegte er sich vorsichtig. Aber jetzt hüpfte er in
der Diele herum wie ein beutegieriger Knetegeier.
„Martha! Hast du die Krähe gesehen?“
„Diesen ekligen Vogel? Natürlich! Ich
war doch dabei.“
„Ich meine: Hast du ihn wirklich
gesehen?“
Martha stand an der Küchentür.
Ärgerlich streckte sie ihm ihr spitznasiges Gesicht entgegen.
„Was soll das heißen, Eduard? Bist du
übergeschnappt?“
„Du verstehst nicht. Du bist blöd. Vom
Schnabel der Krähe ist ein Stück abgesplittert. Daran — verstehst du! — habe
ich sie wiedererkannt. Erinnere dich! Als ich heute vom Morgenspaziergang
zurückkam, sagte ich, daß hinten im Wald — und zwar nahe der Blitz-Eiche — eine
tote Krähe liegt. Diese Krähe war’s!“
An ihrer spitzen Nase schossen die
Blicke vorbei. „Wirklich?“
„So wahr ich Eduard heiße! Nun aber
frage ich mich: Wie fliegt ein toter Vogel bei Weißberger durchs Fenster?
Fleh?“
„Äh... eigentlich kann er das nicht.“
„Ich sag’s dir, Martha. Jemand hat den
Kadaver durch die Scheibe geworfen. Weshalb? Um die Alarmanlage in Gang zu
setzen. Damit die Polizei kommt und abschaltet, was in diesem Fall schon die
frechen Gören gemacht haben. Aber jetzt ist dort drüben Funkstille — woran
niemand denkt. Jetzt hat er freie Bahn, der Einbrecher.“
Sie atmete rascher. „Du meinst...
Wirklich? Wäre das... unsere Gelegenheit?“
Er nickte heftig. „Nur wir wissen, daß
Weißberger hinter der Wandtäfelung des Terrassenzimmers einen eingebauten Safe
hat. Du meine Güte! Wieviele Male habe ich ihn mit dem Fernglas beobachtet!
Wovon er nichts ahnt, der Trottel. Noch nie hat er die Kombination geändert.“
„Immer noch dieselbe?“
„Immer noch 6-5-4.“
„Und in dem Safe liegt viel Geld?“
„Der hat’s doch. Geld ist drin. Und
seine Goldmünzen-Sammlung.“
Eine Weile schwiegen sie sich an.
Dann begann in der Küche der
Wasserkessel zu pfeifen.
„Ich mache dir einen Beruhigungstee,
Eduard.“
„Ich will keinen Beruhigungstee. Ich
werde ein Bier trinken, jawohl.“
„Aber heute ist doch nicht...“
„Doch! Heute ist Samstag!
Pfingstsamstag. Ich trinke ein Bier. Dann setze ich mich oben ans Fenster. Mit
dem Fernglas. Ich beobachte. Der Einbrecher kommt. Wahrscheinlich bald.
Irgendwann geht er. Dann bin ich drüben und räume den Safe aus. Aber ich darf
keine Fingerabdrücke hinterlassen. Wo sind meine Sommerhandschuhe?“
4. Django kommt zurück
Knirschend drang der Spaten in den
Boden. Tim grub. Er hatte die tote Krähe in eine Zeitung gewickelt. Das Bündel
lag auf dem Rasen.
„...habe ich leider schon mehrfach tote
Vögel aufgelesen“, sagte er. „Solche, die gegen große Fensterscheiben geprallt
sind und sich dabei das Genick brachen. Ist traurig. Offenbar passiert das nur,
weil die Landschaft sich in der Scheibe
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