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Überm Rauschen: Roman (German Edition)

Überm Rauschen: Roman (German Edition)

Titel: Überm Rauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Scheuer
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Knäuel.
    Wir zogen sie ins Boot und töteten sie, indem wir ihnen das Rückgrat brachen und mit einem scharfen Messer die Köpfe abschnitten. Im Morgengrauen standen wir zwischen glitschigen, sich schlängelnden Aalleibern, ruderten zum Ufer. Während die Sonne aufging, der Nebel sich langsam auflöste, räucherten wir die Aale, tranken Bier und frühstückten am Lagerfeuer. Alma erzählte davon, dass sie eines Tages nach Paris gehen werde, um dort in einem feinen Hotel zu arbeiten; wir wollten beide mit ihr gehen.

 
     
     

    Der Aal ( Anguilla anguilla ) ist ein auf dem Grund lebender Wanderfisch. Wenn er ein Jahr alt ist, wird sein Maul spitzer, und die Augen werden größer, die Haut beginnt silbern zu schimmern, und sein Rücken wird schwarz. Nun kommt die Zeit, da er ins Meer schwimmen wird, um sich in den Tiefen des Pazifiks zu paaren. Dort unten legt er seine Eier ab und stirbt zufrieden. Die sich aus den Eiern entwickelnden Larven steigen langsam auf, driften mit dem Golfstrom zu den Küsten Europas zurück. Dort, wo die Heimatflüsse ihrer Eltern einmünden, werden sie von bekannten verführerischen Gerüchen angelockt. Sie schwimmen die Flüsse hinauf, nichts kann sie aufhalten, weder Wasserfälle noch Schleusentore oder Wehre, bis sie die Lieblingsplätze ihrer Eltern erreicht haben.

17
    In der Strömung stehend hole ich Hermanns Plastikbox mit den Köderfliegen aus der Angeltasche, suche nach dem richtigen Köder. Hermann hat sie alle selbst gebunden. Grashüpferimitationen mit glänzenden Beinchen und Kopfbindungen für die Hechel, Waldameisen mit einem schwarzen Leib und roten Flügeln, eine schwere Goldkopfnymphe mit grünem Leib, mit viel Blei im Unterbau und einem Kopfkranz aus saugfähigem Fell, zum Fischen auf Große am Grund. Viele der Köder kenne ich nicht mehr, oder Hermann hat sie in den letzten Jahren erfunden. Ich werde es mit einer schönen Köcherfliege versuchen, die kenne ich noch gut. Die Larve der Köcherfliege baut ihr Gehäuse aus Sand- und Holzpartikeln auf dem Flussgrund. Ich habe Hermann oft dabei zugesehen, wie er diesen Köder gemacht hat. Man zieht zuerst vorsichtig die Larve der Köcherfliege aus ihrem Gehäuse, dann umwickelt man den Schenkel eines Einfachhakens mit einer Wollfadenwicklung, kratzt mit einer Nadel eine schmale Rinne in das Gehäuse, bestreicht den Wollfaden mit Kleber, schiebt das Gehäuse auf den Hakenschenkel, bindet hinter dem Hakenöhr einen Hechelkranz, stellt zu guter Letzt die Hechel hoch und zwirbelt sie.
    Hermann hat seine Köder sogar in der Schule unter der Bank angefertigt, es interessierte ihn damals nicht, was die Lehrer ihm beibringen wollten. Er war der Meinung, dass man ihm nichts mehr beibringen könne, jedenfalls nichts, was er wissen müsse. Schon nach einigen Jahren verließ er wegen ungenügender Leistungen das Gymnasium und besuchte wieder die Hauptschule. Nachmittags musste er in der Wirtschaft aushelfen oder Sommerfrischler zu den Eishöhlen führen, in denen früher Mühlsteine geschlagen wurden. Er zeigte ihnen alte riesige Schwarzkiefern, die römischen Sandsteinbrüche, Villen und Brunnenstuben, erzählte ihnen von Kelten und Römern, die früher hier gesiedelt hatten, alles Geschichten, die er in Büchern gelesen oder von Vater und Zehner aufgeschnappt hatte. In der Hauptschule machten sich die Lehrer über den einstigen Musterschüler lustig. Hermann fing an zu stottern und machte in seinen Aufsätzen viele Rechtschreibfehler.
    Nachdem Hermann die Hauptschule abgeschlossen hatte, bestand Vater darauf, dass er eine Lehre machte. Da es bei uns in der Gegend kaum Ausbildungsmöglichkeiten gab, wurde Hermann in ein Lehrlingsheim in der Stadt geschickt. Er wollte nicht von zu Hause weg, und ins Lehrlingsheim ging er nur, weil er Vater nicht wieder enttäuschen wollte. Die Lehrwerkstatt und das Wohnheim befanden sich weit außerhalb einer Stadt in einem Industriegebiet. Hermann blieb die Woche über dort. Er konstruierte und baute für Vater in der Lehrwerkstatt einen Bindestock, in den Vater die Haken für seine Köder einspannte. Vater präsentierte den Bindestock stolz vor Anglern in der Gaststätte.
    Wenn Hermanns Kollegen abends in die Diskothek gingen, saß er allein in seinem Zimmer. Im Sommer hockte er nach Feierabend auf einer Bank bei einem Tennisplatz und kam erst spätabends ins Wohnheim zurück. Einmal nahmen ihn seine Kollegen, aus der Diskothek kommend, im Auto mit, äfften seinen Dialekt und seinen Sprachfehler

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