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Nikotin

Nikotin

Titel: Nikotin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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    M r Satterthwaite saß auf der Terrasse vom »Kr ä hennest« und beobachtete seinen Gastgeber, Sir Charles Cart w right, der den Pfad vom Meer heraufkletterte. »Krähennest« war ein moderner Bung a low besseren Stils; ein prunkloses, solides weißes Gebä u de, das ein gut Teil gr ö ßer war als es aussah. Den Namen verdankte es seiner Lage. Auf dem höchsten Punkt thr o nend, überschaute es den Hafen von Lo o mouth, und von einer Ecke der Te r rasse aus konnte man das Meer sehen. Die Straße von der Stadt wand sich eine Meile lang au f wärts; zu Fuß konnte man jedoch das »Krähennest« auf dem Fischerpfad in sieben Minuten erre i chen.
    Sir Charles, ein schlanker, sonnengebräunter Mann, trug eine alte graue Flanellhose und einen weißen Sweater. Er hatte einen leicht schlingernden Gang und hielt die Hä n de, während er emporstieg, halb geschlossen. Von zehn Leuten würden neun gesagt haben: »Ein ehemaliger M a rineoffizier – der Typ ist nicht zu verkennen!« Der zeh n te, scharfsichtiger, hätte vermutlich gestutzt, verwirrt durch irgendetwas Undefinierbares, das nicht echt wirkte. Und dann würde vor seinem Geist vielleicht ein Bild e r stehen: das Deck eines Schiffes – aber nicht eines wirkl i chen Schiffes – nein, eines Schiffes, das auf beiden Seiten von Vorhängen aus schwerem, dickem Gewebe eing e rahmt war… ein Mann, Charles Cartwright, stand auf dem Deck… ein nicht von der Sonne stammendes Licht, das auf ihn herabflutete… Hände, die sich halb ballten, das leichte Schlingern und eine Stimme – die vertrauliche, angenehme Stimme eines englischen Seemanns und Gentlemans, im Ton beträchtlich verstärkt.
    »Nein, Sir«, sagte Charles Cartwright gerade, »auf diese Frage kann ich Ihnen leider keine Antwort geben.«
    Dann fielen die schweren Vorhänge zusammen; die Lampen flammten auf, ein Orchester spielte den Schlus s teil einer Begleitmusik, junge Mädchen mit riesigen Schleifen im Haar fragten: »Schokolade? Limonade gefä l lig?«
    Der erste Akt des Stückes Der Ruf des Meeres mit Charles Cartwright als Admiral Vanstone war vorüber.
    Mr Satterthwaite lächelte, als er hinunterschaute.
    Ein ausgemergelter Mann war er, ein Mäzen der sch ö nen Künste, ein ausgesprochener, doch sympathischer Snob, dessen Name bei keiner wichtigen gesellschaftl i chen Veranstaltung fehlte. Überdies ein Mann von b e trächtlicher Intelligenz und ein scharfer Beobachter von Menschen und Dingen.
    »Das hätte ich nicht gedacht«, murmelte er jetzt. »Nein, wirklich nicht!«
    Ein Schritt ertönte auf der Terrasse, sodass er den Kopf wandte. Dem grauhaarigen Herrn, der sich einen Stuhl heranzog und sich neben Satterthwaite niederließ, konnte man seinen Beruf auf seinem gütigen Gesicht ablesen: »Doktor« und »Harley Street«. Sir Bartholomew Strange war ein erfolgreicher Arzt und in Anbetracht seiner Ve r dienste auf dem Gebiet der Nervenleiden in den Adel s stand erhoben worden.
    »Was hätten Sie nicht gedacht?«, fragte er.
    Mr Satterthwaite wies auf die herauf kletternde Gestalt. »Dass Sir Charles es so lange zufrieden im – im Exil au s halten würde.«
    »Wahrhaftig, das hätte ich auch nicht gedacht!« Der a n dere warf lachend den Kopf in den Nacken. »Ich kenne Charles seit der Jugendzeit. Wir waren zusammen in O x ford, und er blieb immer derselbe: im Privatleben ein noch besserer Schauspieler als auf der Bühne! Charles spielt unentwegt eine Rolle; es ist seine zweite Natur. Er geht nicht aus einem Zimmer hinaus, sondern ›macht einen Abgang‹.
    Bisweilen jedoch liebt er einen Rollenwechsel. So sagte er vor zwei Jahren der Bühne Lebewohl – angeblich, weil er sich nach einem einfachen Landleben sehnte, abseits vom Rummel, und seiner alten Neigung für die See leben wollte. Kurz entschlossen baute er sich dieses Haus – seine Auffassung von einem schlichten Landhäuschen. Drei Badezimmer und sämtlicher moderner Krimskrams! Es ging mir wie Ihnen, Satterthwaite: Ich glaubte, es wü r de nicht lange dauern. Schließlich ist Charles auch nur ein Mensch, er braucht sein Publikum. Zwei oder drei im Ruhestand lebende Kapitäne, einige alte Frauen und ein Pfarrer – das ist keine reichhaltige Zuschauermenge. Ich hatte damit gerechnet, dass ›der einfache Naturmensch mit der Liebe zum Meer‹ sechs Monate anhalten würde; dann müsste er der Rolle überdrüssig werden, um a n schließend vielleicht den müden Weltmann von Monte Carlo zu spielen oder meinetwegen auch einen Lord im

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