Überman
und sagte, Geld sei dann ja auch nicht alles im Leben.
Meine 22 -seitige Vermögensübersicht habe ich im faden Neonlicht der Tiefgarage gelesen, und mit jeder Spalte von ebenso verlustreichen wie schwachsinnigen Finanzinstrumenten bin ich tiefer in den Sitz meines schwarzen Toyota Hilux gerutscht. Zwischen meiner Offshore-Windpark-Beteiligung und einem todsicheren Filmfonds (weil Justin Timberlake mitspielt) ging Gott sei Dank das Licht aus.
Und dann kam die Wut. Wie eine gigantische Welle brach sie über mich herein und riss alles mit, was sich ihr in den Weg stellte: die Vernunft, den dunklen Stoffdachhimmel meines Autos und natürlich ganz besonders jede einzelne der erbärmlichen Anti-Wut-Techniken aus dem Wutseminar. Für eine Sekunde dachte ich tatsächlich kurz daran, die Worte ›Liebe‹ und ›Frieden‹ in mein Wutbuch zu schreiben, doch da war meine rechte Hand schon durch den japanischen Dachhimmel, der Stoff riss ein und die Haut meiner Knöchel mit dazu. » ICH ! IDIOT !«, schrie ich, und rasch wurde mein Auto zur Gummizelle. Das Bizarre: Ich war weder auf Phil wütend noch auf Sarantakos, sondern auf mich. ICH war es schließlich gewesen, der jeden noch so dämlichen Investment-Tipp aufgesaugt hatte wie ein frisch geborenes Kalb die Milch seiner Mutter. ICH hatte den rumänischen Mischwald unterschrieben, das fette Schwein und das brasilianische Triebwerk. ICH war hier der IDIOT !
Eine Viertelstunde lang saß ich einfach so da im Dunklen, und mit jeder Minute, in der ich auf das bunte Lämpchen für die Zündung starrte, begriff ich ein wenig mehr, was die minus 211 , 2 Prozent in meinem Portfolio bedeuteten: Sie bedeuteten, dass ich am Arsch war. Dass ich keinen verschissenen Cent mehr hatte. Dass ich nicht mal mehr den Kredit würde zahlen können für das Haus, in dem ja unsere Wohnung war.
Mir wurde schlecht, denn nun blühte mir exakt das, was mir mein Gehirn in diversen Low-Budget-Alpträumen seit Monaten präsentierte: Pfändung, Enteignung, Gosse, Prostitution sowie Drogensucht mit nachfolgendem Ausfall der Schneidezähne.
Mein Magen schrumpfte auf die Größe eines Pinienkerns, die Zähne begannen, sich selbst zu Staub zu mörsern, und als mein Körper mitbekam, was einzelne Teile von ihm so veranstalteten, da fing das Zittern an. Ein weiteres Mal hämmerte meine Faust gegen mein Auto, dieses Mal war es die Hupe.
Nööööööööökkkk!
, hallte es durch die Tiefgarage. Wie peinlich das alles war! Was würden die anderen sagen? Und Annabelle?
Irgendwann zog ich mich am eiskalten Lenkrad nach oben, und obgleich meine Knöchel pochten vor Schmerz und Wut, wusste ich, was ich meiner Freundin von all dem erzählen würde: einen Scheiß! Annabelle würde es nicht erfahren, NIEMAND würde überhaupt IRGENDWAS erfahren, bis ich mich selbst wieder aus dieser unsäglichen griechischen Scheiße gezogen hatte.
Aber wie sollte ich das machen? Ich, der selbsternannte Spaßpräsident, der sich seit dem erfolgreichen Verkauf seiner Internetseite vornehmlich mit Partys, Fernsehen und sonstigem Unsinn die Zeit vertrieben hatte und dessen größte Wochenaufgabe es war, die leere Kiste Kölsch durch eine volle zu ersetzen? Wie sollte so jemand schnell wieder zu Geld kommen?
Apathisch zog ich mein Smartphone aus der Jeans und klickte mich zu meinem ewigen Ideenzettel. Ideen hatte ich viele und die meisten waren nur deswegen so gut, weil kein Mensch sie je umsetzen konnte. So wie die »Cloud für echte Sachen«, die ich vor einer Woche nach sieben Gin Tonic mit meinem Kumpel und Bürokollegen Manni Friedemeyer erfand: Warum sollte man nur zu Musik, Fotos und Daten überall und jederzeit Zugriff haben? Warum nicht zum Beispiel in Köln den Kühlschrank vollmachen und im Ferienhaus auf Mallorca steht eine Sekunde später exakt das Gleiche drin? Und würden Frauen nicht zalandoesk ausrasten, wäre ihre komplette Schuhsammlung von zu Hause bereits im Hotel inklusive Koffer und Abendkleid? Nicht auszudenken, wenn auch alle Freunde immer schon da wären, wo man selbst ist, und man sich gar nicht mehr verabreden müsste … Wie gesagt: sieben Gin Tonic.
Ich klickte mich weiter über »tragbarer U-Bahn-Eingang«, »Bierbike Las Vegas« bis zu »Jamie Oliver verklagen«, wobei ich mich daran erinnerte, dass ich hierbei durchaus Potential sah. Leider hatte ich vergessen, weswegen ich Jamie Oliver verklagen wollte. Weil man seine indischen Kolonial-Zutaten nirgendwo bekam? Weil man seine komplizierten Rezepte
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