Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Begrüßung des Lesers
Menschen sind bestrebt, einen Zustand des sich Wohlfühlens herbeizuführen. Großes und Kleines kann dabei abträglich oder förderlich sein. Der Philosoph Bertrand Russell meinte, dass ein Mensch, der Erdbeeren mag – bliebe alles andere gleich –, besser an die Welt, in der wir leben, angepasst ist als jemand, der sie nicht mag. Denn Erdbeeren existieren, und eine positive Beziehung zu ihnen trägt zum Wohlgefühl bei.
So ist es auch mit der Mathematik, sogar in gesteigerter Form. Auch die Mathematik bietet ganz epikureisch manch soliden Lustgewinn. Mehr noch: Mathematik hat die Gabe, wie die Liebe und die Musik, Menschen glücklich zu machen. «The sexiest discipline on the planet», nennt sie der Bestsellerautor Simon Singh und hat recht. Wie die Liebe und die Musik und weit mehr als Erdbeeren erzeugt die Mathematik starke Gefühle. Nicht alle, zugegeben, sind positiv: Wie keine andere Disziplin ist die Mathematik polarisierend. Wenn es auch am Beginn des 3. Jahrtausends zunehmend schwieriger wird, ihre großen Errungenschaften zu leugnen, so erscheint sie ihren Gegnern doch emotional frugal, intellektualistisch, vollwertig furchterregend und als Beschäftigung in etwa so spannend wie die Besichtigung frischer Farbe beim Antrocknen.
Für ihre Anhänger ist die Mathematik nicht nur ein grandioses Abenteuer im Kopf. Sie ist eine über Jahrtausende gewachsene Ressource der menschlichen Kultur, deren Tiefensehkraft uns Gefilde weit jenseits unserer Erfahrungswelt erschließt, etwa die Welt der Elementarteilchen oder die Vorzeiten des Weltalls. Die Mathematik berührt aber auch unser aller Alltag und steckt unbemerkt in vielen Dingen unserer Lebenswelt: Die Heizung heizt, der Flieger fliegt, die Brücke trägt nur dann, wenn Mathematik im Spiel ist.
Darüber hinaus ist die Mathematik eine Quelle nachhaltig spürbarer Schönheit. Ihre Präzision, ihre kristalline Klarheit und Eleganz verleihen der Mathematik ihre ästhetische Qualität. Dazu kommt die nahtlose Passform, mit der ein Ensemble von Einzelüberlegungen sich zu einer schlüssigen Argumentationskette formiert, zu einem mathematischen Beweis oder zur Lösung eines Problems. Vergleichbar den Rädchen eines Uhrwerks, greifen sie ineinander und bilden auf balancierte Weise ein größeres harmonisches Ganzes. Die gelungensten Exemplare dieses Genres haben etwas von atemberaubender Formvollendung.
Und nicht zuletzt und hier vor allem ist Mathematik reich an Themen, die sich in unterhaltsame Tisch- und Partygespräche einbringen lassen. Das ist vielleicht nicht die gängige Ansicht, aber es ist meine Ansicht und vielleicht auch bald die Ihre. Wir sprechen in diesem Buch von allen möglichen Dingen und noch einigen mehr.
Doch so, wie Mathematik von Profis für Profis produziert wird, ist sie ein extremes Bildungsprodukt, und ihre stark normierte, karge Darreichungsform hat etwas Hermetisches und Unzugängliches. Das rührt zum Teil daher, dass niemand der Mathematik ernsthaft nachsagen kann, sie sei vorbereitungslos allgemeinverständlich: Sie ist ein Werkzeug, an dem man ausgebildet sein muss. Die Mathematik kann aber, wenn sie nur will, ebenso gut auch unterhaltsam sein. Und man sagt selbst dann noch nicht zu viel, wenn festgestellt wird, dass sie sich sogar als belletristische Wissenschaft verstehen lässt, voll strömender Lebendigkeit und geistreich begeisternd. Das zu meinen ist jedenfalls möglich, wenn man sich Fragen wie diese vergegenwärtigt: Warum haben Tiger Streifen, Dalmatiner Punkte und Elefanten nichts von beidem? Warum haben manche Heuschreckenarten Lebenszyklen, deren Länge immer Primzahlen sind? Kann man beim Glücksspiel zwei Verluststrategien zu einer Gewinnstrategie kombinieren? Wie kann man einen Kuchen unter drei Personen neidfrei aufteilen? Was ist das optimale Verhalten bei Warteschlangen? Was ist eine gute Strategie beim Lotto? Wie ist es möglich festzustellen, dass Homer die Odyssee nicht geschrieben hat? Dies und vieles andere kann Ihnen die Mathematik beantworten. So gesehen ist sie eine Art «vielseitiger großer Ratschläger für alle Fälle der Welt» (Ror Wolf). Und wie sie dabei vorgeht, das sieht man bisweilen mit Faszination und angehaltenem Atem.
Mein Buch will ein lebendiges Bild der Mathematik zeichnen. Nicht darauf angelegt ist es, ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Selbst bei schwachem Fleiß und mittlerer Ausdauer ist es mit geringen mathematischen Kenntnissen und gesundem
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