Überman
Horrorträumen und panischer Ideensuche. Um kurz vor drei hatte ich meine Liste mit den Ideen aus meinem Smartphone ergänzt, die ich gleich am Vormittag mit meinem Anwalt Lars Ditters besprechen wollte.
Ich schrieb sogar eine kurze Mail an meinen ehemaligen Geschäftspartner Shahin, ob wir nicht mal wieder ein Bier trinken wollten. Mit ihm hatte ich es vor Jahren ja schon mal vom versoffenen Beschwerde-Junkie zum Millionär geschafft, und das mit genau meinem Thema: einer Webseite, bei der sich reiche Leute über einen Strohmann (uns) über Dinge beschweren konnten, für die sie sich zu fein waren. Vier Millionen hat eBay uns bezahlt für whatsyourproblem.de, was sich nach so wahnsinnig viel anhört, dass man sofort an »ausgesorgt« denkt, aber geteilt durch zwei waren es nur noch zwei Millionen, minus Einkommenssteuer blieb etwas über eine Million – und dann kam Sarantakos.
Mehrere Kubikmeter eiskaltes Wasser ergießen sich über mich, wach werde ich trotzdem nicht. Hektisch schlüpfe ich in alte und ungebügelte Klamotten und sehe augenblicklich so aus, wie ich mich fühle. Lala hat recht: Ich hab tatsächlich ein blaues Auge und als ich es mit meinem iPhone fotografiere, hab ich auch schon eine Ahnung woher. In jedem Fall werde ich es Ditters zeigen. An Lala vorbei schleiche ich mich in die Küche. Mein erster Gang ist der zu unserem teuren Schweizer Kaffee-Vollautomaten. Einen schnellen Kaffee noch und dann auf in den Kampf!
»Simon! Vergisst du nicht die Pljeskavica!«, krakeelt es aus dem Schlafzimmer.
»Jaaa!«, rufe ich, denn einen Streit mit Lala kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen, ich weiß ja, wie schnell sie ihre Arbeit abbricht, und dann schickt sie sofort ihren wahnsinnigen Cousin, um ja kein Geld zu verlieren, und zwar den Cousin, der im Herbst sternhagelvoll und nackt in unserer Badewanne lag und in voller Lautstärke Radio Dubrovnik über unser Webradio hörte. Was will man machen? Eine gute Putzfrau möchte man nicht verlieren. Eine nicht ganz so gute auch nicht. Nicht mal eine schlechte Putzfau will man verlieren, heutzutage, und genau das wissen alle schlechten Putzfrauen auch. Und jetzt werde ich sie verlieren, weil ich sie nicht mehr zahlen kann, wenn ich nicht sofort mit einer Raketenidee finanziell auf Neustart gehe.
Ich drücke die große Kaffeetaste. Nichts passiert. ›Bohnen füllen‹, meldet die Maschine. Also fülle ich Bohnen nach und drücke erneut auf die Kaffeetaste. »Schale leeren«, steht auf dem Display. Nach Jamie Olivers Tomatenmischung der nächste Fall von Deutschenhass: Jura liefert manipulierte Maschinen mit extra vielen Fehlermeldungen an uns »Tüütschi«, und wenn wir dann mit unserem Kaiser-Wilhelm-Dialekt auf der Hotline anrufen, dann stellen sie laut in ihrem Berner Büro und bepissen sich vor Lachen. Angespannt leere ich die Schale, und als ich sie wieder einsetze, entdecke ich einen Zettel von Lala: »Tank voll mit gute Wasser!«, steht drauf.
»Au Mann …!«, stöhne ich und drücke auf die Kaffeetaste, und dann passiert ein verdammtes Wunder: Die Maschine macht einen Kaffee! Aus gutem Wasser!
Die Sache ist so: Lala ist leider esoterisch geworden in letzter Zeit, und man muss schon einigermaßen gut ausgeschlafen sein, um darüber hinwegzusehen, was ich heute nicht bin. Lala füllt zum Beispiel das Bügelwasser mit positiver Energie, indem sie es minutenlang zulabert mit Tankstellen-Mantras wie »Bist du gute Wasser, kräftige Wasser!« und »Saugst du auf die ganze Kraft von unendliche Kosmos!« Manchmal klebt sie auch nur einen Zettel drauf, auf dem so was steht wie »Wundervolle Wasser, wir mögen dich!«
Ich hab den Unsinn natürlich sofort gegoogelt. Folgendes: Irgendein bekloppter Laborkittel-Japse hat die Auswirkung von Musik und Stimmungen auf Wasserkristalle untersucht und behauptet nun ernsthaft, Wasser hätte so etwas wie ein Gedächtnis. Es gibt Fotos von Wasserkristallen, die mit Beethoven beschallt wurden – prächtig und stolz sehen sie aus. Und es gibt Fotos von Kristallen, die man mit Heavy Metal beschallt hat. Sie sehen aus wie Leute, die Heavy Metal hören.
Das mit dem Bügelwasser macht Lala nur für mich, hat sie mal gesagt, denn schließlich landet die positive Energie über den Wasserdampf dann ja auch auf meiner Kleidung. Einmal habe ich gewagt zu fragen, warum sie dann nicht gleich meine Klamotten zulabert statt das Bügelwasser, aber das war ein Fehler, denn dann hat sie mir, dem Unwissenden, in einer
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