Uhtred 6 - Der Sterbende König
Züge kräftiger waren. »Die Priester haben gesagt, man könne Euch nicht trauen.«
»Vielleicht kann man das auch nicht«, sagte ich.
Darüber musste er lächeln. »Aber die Priester sagen auch, Gottes Vorsehung habe den Verlauf des Krieges bestimmt. Dadurch, dass wir abgewartet haben, sagen sie, hätten wir all unsere Feinde getötet.«
»Fast alle unsere Feinde«, stellte ich richtig. »Und ein König kann nicht auf Gottes Vorsehung warten. Ein König muss Entscheidungen treffen.«
Er nahm den Vorwurf gut auf. » Mea culpa«, sagte er leise, »und doch war Gott auf unserer Seite.«
»Der Graben war auf unserer Seite«, sagte ich, »und diesen Krieg hat Eure Schwester gewonnen.«
Æthelflæd hatte die Dänen aufgehalten. Wenn sie nachts den Fluss überquert hätten, wären sie früher zum Angriff bereit gewesen und hätten uns ganz gewiss längst überwältigt, bevor Steapas Reiter zu unserer Rettung gekommen wären. Doch die meisten Dänen waren in Huntandon geblieben, weil sie hinter ihren Linien bedroht wurden. Diese Bedrohung hatte sich in den riesenhaften Bränden gezeigt. Æthelflæd, von ihrem Bruder angewiesen, sich in Sicherheit zu bringen, hatte stattdessen ihre mercischen Truppen nach Norden geführt und Feuer gelegt, sodass die Dänen geglaubt hatten, eine feindliche Armee stünde in ihrem Rücken.
»Ich habe zwei Palas-Bauten verbrannt«, sagte sie, »und eine Kirche.«
Sie saß zu meiner Linken, Edward zu meiner Rechten, während Pater Coenwulf und den Bischöfen Plätze weit am anderen Ende der Ehrentafel angewiesen worden waren. »Du hast eine Kirche niedergebrannt?«, fragte Edward entsetzt.
»Es war ein hässliche Kirche«, sagte sie, »aber groß, und das Feuer hat sehr hell gebrannt.«
Hell gebrannt. Ich berührte ihre Hand, die auf dem Tisch lag. Nahezu all unsere Feinde waren tot, nur Haesten, Cnut und Sigurd waren am Leben geblieben, doch einen Dänen zu töten heißt, ein Dutzend anderer zum Leben zu erwecken. Ihre Schiffe würden weiter übers Meer kommen, denn die Dänen würden niemals ruhen, ehe die Smaragdkrone nicht ihre war oder bis wir sie endgültig vernichtet hatten.
Doch für den Augenblick waren wir sicher. Edward war König. Lundene war unser, Wessex hatte überlebt, und die Dänen waren besiegt.
Wyrd biö ful aræd.
NACHWORT DES AUTORS
D ie angelsächsischen Chroniken sind unsere beste Quelle zu den Ereignissen der Epoche, in der die Angeln und die Sachsen Britannien dominierten, doch es gibt keine einheitliche Chronik. Es ist wahrscheinlich, dass Alfred selbst die Erstellung des Originaltextes beauftragt hat, der, beginnend mit Christi Geburt, Jahr für Jahr eine Zusammenfassung der Ereignisse bietet, und dieses erste Manuskript wurde abgeschrieben und an Klöster verteilt, in denen die Abschriften jeweils aktualisiert wurden, sodass keine zwei identischen Versionen existieren. Die Eintragungen sind zum Teil so unklar, dass es einen zum Wahnsinn treibt, und keineswegs immer verlässlich. So berichten die Chroniken etwa für das Jahr 793 AD von feuerspeienden Drachen am Himmel über Northumbrien. Für 902 berichten die Chroniken von einer Schlacht ›beim Holme‹, einem Ort, der niemals identifiziert werden konnte, obwohl wir wissen, dass er irgendwo in Ostanglien lag. Eine dänische Armee unter der Führung König Eohrics und Æthelwolds, der Ansprüche auf den Thron von Wessex geltend machte, fiel in Mercien ein, überquerte bei Cracgelad (Cricklade) die Thames, plünderte Wessex und zog sich dann wieder zurück. König Edward setzte ihr Richtung Ostanglien nach und nahm Rache, indem er König Eohrics Land verwüstete. Dann folgt die fesselnde Beschreibung der Schlacht: »Als er (Edward) von dort abziehen wollte, ließ er es der Armee verkünden, dass sie alle gemeinsam gehen sollten. Die Kenter blieben gegen seinen Befehl dort, trotz sieben Nachrichten, die er ihnen gesandt hatte. Die Streitmacht stieß dort auf sie, und sie kämpften.« Daran anschließend listet der Eintrag die namhaftesten Verluste auf, darunter Æthelwold, König Eohric, Aldermann Sigelf, sein Sohn Sigebriht und Beortsig. »Auf jeder Seite«, erzählen uns die Chroniken, »wurden viele niedergemetzelt, und von den Dänen wurden mehr getötet, doch sie hielten das Schlachtfeld.« Das deutet daraufhin, dass die Dänen den Sieg davontrugen, bei diesem Sieg aber die meisten ihrer Anführer verloren. (Ich nutze die Übersetzung der Chroniken von Anne Savage, veröffentlicht bei Heinemann,
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