Ulysses
in Dublin. Eheschließung 1904 Nora Barnacle. Verließ im gleichen Jahr Irland, lebte in Triest, Paris und Zürich als Journalist und Sprachlehrer an Berlitzschulen. Wählte das freiwillige Exil (›I will not serve that in which I no longer believe, whether it calls itself my home, my fatherland, or my church.‹). Starb in der Schweiz, nahezu erblindet, geschwächt durch jahrelange Entbehrungen. - Lit. Einflüsse: ital. Dichter des 13. Jh., engl. Dichter des 16. Jh., ferner die Prosa Newmans, die Psychoanalyse Freuds.
War schon als Student sehr an Musik interessiert, wirkte als Tenor an Musikfesten mit. Begann s.lit. Laufbahn mit zarter Lyrik ›Chamber Music‹ und den volksliedhaften ›Pomes Penyeach‹ sowie mit Kurzgeschichten ›Dubliners‹, realist. düsteren kleinen Vignetten s. ir. Heimat mit schwebendem Ausgang, wie bei echov. In ihnen zeigte sich erstmalig s. schriftstellerisches Genie.
Der 1916 veröffentlichte autobiograph. Roman ›A Portrait of the Artist as a Young Man‹ ist Selbstdarstellung und Selbstanalyse, Sprengung einengender Mächte, Hinweis auf die Bindung der Seele an das Animalische, das zur Erde herabzieht, obschon er Dädalus sein möchte, der der Sonne entgegenfliegt. E. Teil e. frühen Fassung des ›Portrait …‹ wurde 1944 postum als ›Stephen Hero‹ veröffentl. 1918 erschien das von Ibsen beeinflußte Schauspiel ›Exiles‹. J.s bedeutendstes Werk ›Ulysses‹ 1914-21 geschrieben, 1922 in Paris gedruckt, da es in England und jahrelang auch in USA von der Zensur verboten war wegen ›Behandlung sexueller Dinge in der Alltagssprache der unteren Klassen‹. Lt. Gerichtsurteil von 1933 (Richter J. M. Woolsey) freigegeben, da die ›Wirkung nicht pornographisch‹ sei. ›Ulysses‹ berichtet über 24 Stunden im Leben des ir. Juden Leopold Bloom = Ulysses und s. Telemachus = Stephen Dedalus. Körperl. und seel. Vorgänge werden mit minutiöser Genauigkeit wiedergegeben, wobei die Perspektive ständig wechselt. Es ist ›Weltalltag der Epoche‹ (H. Broch). Die Hauptgestalt Ulysses ist nicht eigentl. Individuum, sondern Typus, ist ›Jedermann‹; s. Irrfahrt durch Prüfungen und Verlockungen führt ihn bis hinab ins Schattenreich, an s. Beispiel soll die immerwährende Odyssee des Menschen gezeigt werden. J. revolutionierte die ep. Form, er reproduzierte den Bewußtseinsstrom, ohne ihn eth. und log. zu filtern, durchleuchtete Gefühle, Wünsche, Träume s. Gestalten, machte kühne Zeitsprünge.
Relationen zwischen Mythos und Geschichte durchbrechen das Gegenwartsgeschehen. Er möchte die Welt in ihrer Totalität künstler. ausdrücken. Jedes der 18 Kapitel entspricht e. Gesang der ›Odyssee‹ in bezug auf äußere Einteilung und Gerüst, die Episoden sind jedoch gefüllt mit e. Chronik alltägl. Einzelheiten. Zugleich entspricht jedes Kapitel – freilich oft nur dem Eingeweihten erkennbar – e. Organ des menschl. Körpers. E. Pound wies ferner darauf hin, daß der Aufbau Parallelen zur Sonatenform zeigt. Zeitsprünge werden durch Stilwechsel sichtbar gemacht.
Verwendung finden u. a. folgende Sprachformen: Altengl., Shakespearesprache, Cockney, Gerichtssprache, Sprache des Heldenepos, der Totenklage, der kirchl. Zeremonie, daneben Zeitungsjargon, Rotwelsch, linguist. Spiele. Melod. Sprachfluß von stellenweise großer Lautschönheit. Sprachschöpferisch e. hohe Leistung. Innerer Monolog, direkte Rede und wechselnde Standpunkte des Autors deuten hin auf die Spannung zwischen Illusion und Wirklichkeit. Rabelais’scher Humor. E. R. Curtius bezeichnete den ›Ulysses‹ als e. intellektuelles Puzzlespiel, e. neues Inferno und e. neue ›Comédie Humaine‹. -J. s letztes großes Werk ›Finnegans Wake‹ ist der ehrgeizige Versuch der Wiedergabe e. geträumten Weltgeschichte durch erfundene Sprachzeichen u. -laute, die an die Stelle des normalen Nacheinander von Worten in der Sprache e. vieldeutiges, assoziatives Miteinander setzen, das kaum je eindeutig zu entschlüsseln ist. Das schon 1928 veröffentlichte Kap. daraus, ›Anna Livia Plurabelle‹, stellt lautmalerisch den zur Flußgöttin erhobenen River Liffey dar, den Inbegriff alles Fließens u. Strömens. Großer Einfluß auf das zeitgenöss. Romanschaffen.
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