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Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

Titel: Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samy Molcho
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ist es üblich, auch nicht sehr vertraute Partner mit dem Vornamen anzusprechen. Daraus wurde im Deutschen die Variante, das distanzierte »Sie« mit dem Vornamen zu verbinden. Dies ist inzwischen eine unter Kollegen einer Firma beliebte und probate Art, Nähe und Distanz zugleich auszudrücken. Solange wir einander mit dem Familiennamen und »Sie« ansprechen, bleibt die Distanz ungeschmälert erhalten. Sie kann sich durch die Anwendung von Titeln vergrößern. Titel sprechen unverblümt von hierarchischem Gefälle. Titulieren wir unser jeweiliges Gegenüber mit »Herr Doktor« oder zum Beispiel mit »Herr Generaldirektor«, schaffen wir einen deutlichen Abstand. Zwei Generaldirektoren, die auf Augenhöhe miteinander reden, würden sich niemals mit »Herr Generaldirektor« anreden. »Doktor« und »Doktor« werden es mit der Anrede »Herr Kollege« bewenden lassen, und sie erreichen damit eine gewisse, wenn auch immer noch kühle Nähe. Jedenfalls ist die symmetrische Balance hergestellt. Asymmetrisch wird das Verhältnis sofort wieder zwischen dem »Herrn Doktor« und seinen Helferinnen. Denn ganz selbstverständlich wird der Arzt den Vornamen der Mitarbeiterin benutzen, sie aber mit dem Titel antworten. Für den Patienten existiert dem »Herrn Doktor« gegenüber eine gewisse Möglichkeit, die Distanz, die der Titel hervorruft, ein wenig abzuschwächen, in dem er den Arzt nicht allein mit dem Titel, also »Herr Doktor« anspricht, sondern den individuellen Namen des Arztes hinzufügt. Es macht nämlich einen Unterschied, ob der beinahe anonyme Titel die Anrede ausmacht oder ob der Eigenname, also Herr Doktor Meier, Schmidt oder Schulze, einen gewissen Grad der Vertrautheit herstellt. Es ist wie immer: Was wir benennen können, macht uns weniger Angst.

    Auch gleicher Status erlaubt nicht immer eine zu große Vertraulichkeit. Er überschreitet die Distanz, sie zieht sich mit dem Kinn zurück, konfrontiert ihn aber mit den Augen: »Ich gebe nicht nach, aber du bist mir zu nahe.«
    Dennoch bleibt festzuhalten, dass man sich in Ämtern, Arztpraxen oder Firmen von oben nach unten leichter tut, sich Nähe zu erlauben, als umgekehrt.
    Gleicher gesellschaftlicher Status erzeugt ähnliche Interessen und erleichtert auf diese Weise größere Nähe. Es entsteht eine gewisse Solidarität untereinander, und das heißt, dass sich die Angehörigen ein und derselben Schicht auch gegenseitig stützen und ihre gemeinsamen Interessen schützen können.
    Im privaten Umgang miteinander, je nachdem, wie weit unser Wunsch nach Nähe gediehen ist, hängt viel davon ab, wie schnell wir eine Statusgleichheit erreichen können bzw. wie gut es uns gelingt, bestehende Sprachbarrieren abzubauen. Ein akademisch gebildeter Mensch, der Distanz zu halten wünscht, wird sich gern mit Fremdwörtern ausdrücken, wird vielleicht nicht von »Verstehen«, sondern von »kognitiver Akzeptanz« sprechen.
Durch sein anspruchsvolleres Vokabular versucht er, sich Distanz zu verschaffen, was ihm auch meist gelingen wird. Aber was kann er tun, wenn es ihn doch eigentlich nach Nähe verlangt?
    Jede Sprachnuance, ob Hochsprache, Dialekt oder Slang, kann Nähe oder Distanz herbeiführen. Ganz ähnlich verhält es sich mit Dialekten. Zwei Menschen, die denselben Dialekt sprechen, besitzen auch den gleichen Sprachrhythmus und damit stellt sich sofort Nähe ein. Umgekehrt werden zwei Menschen, von denen der eine hochdeutsch spricht und der andere Dialekt, mit einer Distanz umgehen müssen.
    Wenn wir also die Nähe eines anderen suchen, dessen Ausdrucksweise uns fremd ist, werden wir versuchen müssen, unser gewohntes Vokabular aufzugeben, um uns auf seine Sprachebene einlassen zu können. Jede Populärwissenschaft macht nichts anderes, als einen Wissensstoff allgemein verständlich darzustellen. Sie nähert sich dem Normalleser, dem normalen Konsumenten, anstatt sich auf ein Fachpublikum zu beschränken, und zwar in einer Sprache, die eben nicht nur der Akademiker oder Fachmann verstehen kann.
    Nähe und Distanz in der gesellschaftlichen Ritualisierung fand sich im alten Österreich auch im sogenannten Schönbrunner Deutsch, das sich von der Volkssprache durch den nasalen Tonfall unterschied. Es war die Sprache des österreichischen Adels, der sich auf diese klangtypische Variante vom gemeinen Volk abzuheben beliebte.
    Überall in der Welt aber galt seit jeher die Benutzung einer Fremdsprache als soziales Unterscheidungsmerkmal. In Molières Komödien sprechen jene

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