Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz
beobachten, lassen uns erkennen, dass Eindrücke, die bei uns selbst entstehen, sich bei unserem Gegenüber wiederfinden. Aus diesem Grund nehmen wir oft die gleiche Körperhaltung ein wie derjenige, dem wir gerade ganz hingegeben zuhören. Auf diese Weise entstehen Spiegelbilder, die davon zeugen, dass wir mit diesem anderen Menschen auf gleicher Wellenlänge sind. Das, was uns ähnlich ist, schafft eine gewisse Nähe zum anderen. Was uns dagegen fremd ist, erzeugt Distanz. Sind wir aber neugierig genug, auf das andere, auf den anderen, kann es uns gelingen, näher zu bringen, was uns fern war, vertraut zu werden mit dem, was uns bis dahin fremd erschien. Vielleicht integrieren wir das Fremde sogar ganz oder teilweise. Zumindest geht es in unsere Erfahrung ein und verschafft uns so eine neue Nähe zur übrigen Welt. Dieser Vorgang, von eminenter Bedeutung für das heranwachsende Kind, sollte nie beendet sein. Zur vertieften Information über das Phänomen der Spiegelneuronen empfehle ich gerne das Buch Warum ich fühle, was du fühlst des Neurobiologen Joachim Bauer.
Die Anziehungskraft der Außenwelt, die dem Kind Genuss und Abwechslung, Abenteuer und Erfahrung verspricht, entfernt es zugleich von der Mutter und nicht von ihr allein, sondern von jedem und allem, was ihm zuerst Vertrauen und Schutz geboten hat. Sperren wir uns als Erzieher gegen dieses Verlangen, geschieht dies meistens aus dem Gefühl, verlassen zu werden, weil wir nicht mehr gebraucht werden, oder besser gesagt, weil das Kind glaubt, uns nicht mehr zu brauchen. Eine Reaktion, die uns ein Leben lang wiederbegegnen wird. Verwehren wir es dem Kind, auf Distanz zu gehen, wird sich sein Wunsch nach Abwendung noch verstärken.
Übereinstimmung in der Körperhaltung spiegelt Einverständnis des Gefühls wider. Man ist sich im Gespräch näher gekommen, denn was uns ähnlich ist, zieht uns an. Und in dem Versuch, den anderen zu verstehen, erkennen wir uns selbst.
Lachen ist nicht nur gesund. Lachen verbindet. Wer mit einem anderen lachen kann, ist nicht weit von ihm entfernt. Ähnliche Empfindungen erzeugen einen übereinstimmenden körperlichen Ausdruck unserer Körper.
Wir sollten uns vielleicht gelegentlich daran erinnern, wie wichtig die Neugier für jede Entwicklung des Menschen ist. Es ist also wichtig und sogar notwendig, auch einmal selbst Grenzen zu überschreiten, vor allen Dingen aber diese Grenzüberschreitung bei unseren Schutzbefohlenen zuzulassen. Was den Eltern nicht leichtfällt, ist für die Kinder notwendig. Sie testen auf diese Weise, wo ihre Grenzen liegen. Sie tun Verbotenes und schauen sich gleichzeitig mit großen Augen nach ihren Eltern um und versuchen herauszufinden, wie diese reagieren, wie weit das Seil gespannt werden darf, und welche Risiken sie gerade noch eingehen können. Der Genuss von Risiko und Gefahr will ausprobiert und möglichst ausgekostet sein. Im späteren Leben wird es heißen: Kein Erfolg ohne Grenzüberschreitung.
Spannungsverhältnisse wie die gerade beschriebenen zwischen Eltern und Kindern entstehen durch die Ungleichzeitigkeit der jeweiligen Bedürfnisse: So kommt beispielsweise der Partner nach einem schwierigen Arbeitstag nach Hause und hat nur noch den Wunsch, sich zurückzuziehen, in sich zu gehen, um seine innere Balance wiederherzustellen. Der andere Partner hat dagegen den ganzen Tag allein oder mit den Kindern im Hause zugebracht und möchte nun endlich reden, und das heißt vor allem, dass er wahrgenommen werden möchte. Und schon sind da die Fragen: »Warum werde ich einfach ignoriert? Womit habe ich es verdient, überhaupt nicht beachtet, ja, kaum flüchtig begrüßt zu werden?« Der eine braucht gerade Nähe, der andere die Distanz. Es kann aber umgekehrt sein: Der von der Arbeit heimkommende Partner möchte unbedingt über seinen schwierigen oder gerade besonders erfolgreichen Tag reden, der oder die andere hat jedoch, geschafft von den häuslichen Problemen, kein Ohr für ihn oder hält die eigenen Angelegenheiten für wichtiger.
Im Allgemeinen verlangt es Frauen in ihrem Alltag weniger nach Distanz als Männer, es sei denn, sie arbeiten in einer männlich geprägten Umgebung. Man sagt, bei Frauen sei das Verlangen nach Distanz eher ein Zeichen dafür, dass sie krank oder überlastet sind, oder dass in der Beziehung zum Partner etwas nicht stimmt. Das lässt sich sicher nicht verallgemeinern. Wo es aber so ist, hören wir Klagen über Kopfschmerzen oder bemerken, dass urplötzlich
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