Umarme mich, aber rühr mich nicht an - Die Körpersprache der Beziehungen. Von Nähe und Distanz

die kleinen körperlichen Berührungen.
    Es gibt noch andere »Berufsberührer«, deren Berührungen diese Sehnsucht stillen: etwa Friseure und Masseure. Wer allein ist, und es sich leisten kann, wird sich also häufiger als eigentlich nötig frisieren und massieren lassen. Auch so lässt sich der Mangel an Berührung jedenfalls zeitweise beheben. Erfreulicherweise existiert heute eine breite Palette von Angeboten für ältere Menschen, die ihre verpflichtende Lebensarbeitszeit hinter sich haben, aber weiterhin tätig bleiben wollen. Das Seniorenstudium zählt ebenso zu den viel genutzten Möglichkeiten wie sportliche Aktivitäten
oder handwerkliche und künstlerische Lehrveranstaltungen und Kurse etwa für Töpfern oder Zeichnen und Malen. Eigentlich ist endlich Zeit für alles, was während der Berufstätigkeit oder Familienbetreuung vernachlässigt werden musste. Kunst- oder Städtereisen, Wanderfahrten, ja Weltreisen gehören zu den beliebtesten Unternehmungen heutiger Senioren. Die Chaträume im Internet können auch für ältere Menschen zum Podium für Kommunikation ausgebaut werden, beispielsweise mit einer Rubrik »Rat der Weisen«, in der jedermann Fragen aus allen möglichen Lebensgebieten stellen kann, über die ältere Menschen aus ihrer Erfahrung etwas zu sagen, etwas zu verschenken haben. Das alles bringt Freude und Bezug zum Leben.
    Wem die physische Bewegung versagt oder nur schwer zu erlangen ist, dem bleiben dennoch ein paar Dinge als Ersatz. Ich habe anfangs schon die wohltuende Wirkung weicher Stoffe erwähnt, ein Mantel oder ein Plaid oder dergleichen und auch die Gefühlsschmeichler wie Fernsehen und Kino können eine positive Wirkung haben. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal auf die Identifikation mit den Stars des Showgeschäfts zurückkommen und deren psychisch-physische Wirkung beschreiben.
    Im England der Sechzigerjahre gab es einen berühmt gewordenen Fall: Eine Sendung, die sich Meet Your Stars nannte, ermöglichte es ganz normalen Bürgern, ihrem Lieblingsstar in einer Live-Sendung persönlich zu begegnen. Eine alte Dame wünschte sich, einen bestimmten Fernsehmoderator zu treffen. Als sie einander gegenübersaßen, war ihre erste Frage: »Wie gefallen Ihnen die neuen Gardinen in meinem Wohnzimmer?« Der Moderator reagierte irritiert. Er war doch noch nie in ihrer Wohnung gewesen! Ihm konnte nicht bewusst sein, dass die alte Dame in diesem Moment die Grenzen der Realität übersprungen hatte. In ihrem Geist war der Moderator mit seinem Programm selbstverständlich jedes Mal in ihrer Wohnung zugegen gewesen. Da sie neue Vorhänge hatte, war ihre erste Frage deshalb ganz natürlich: »Wir gefallen Ihnen die neuen Gardinen?«
    Wie man sich vorstellen kann, hat sich die Psychologie dieses Falles angenommen, und es zeigte sich dabei, dass es sich hier keineswegs um einen Einzelfall handelte. Die Flucht in eine Pseudo-Intimität mit ihrem »Helden« ist ein bekanntes Einsamkeitssyndrom.

Nachwort
    Nähe und Distanz. Unaufhörlich stehen wir auf der Schaukel, die bedeutet: Ich möchte das Ich und brauche das Du. Kaum habe ich die Grenzen um mein Ich errichtet, empfinde ich die Sehnsucht nach Austausch. Als menschliche Wesen brauchen wir den Austausch mit anderen, jenes kosmische Gesetz, von dem ich anfangs gesprochen habe. Ohne Austausch verkommen wir. Und so werden wir bis zu unserem letzten Tag zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Bedürfnis nach Distanz pendeln. Wir werden stets von Neuem lernen müssen, das Nein des anderen zu respektieren, aber zugleich werden wir nicht aufhören, uns zu wünschen, den Augenkontakt, die Umarmung, die menschliche Wärme auf immer zu spüren. Auch geistige Nähe kann unser Herz erwärmen. Körperlich werden wir dem Partner nicht immer nah sein können, doch solange unser Gefühl für einander aktiv ist und wach bleibt, werden wir die innere Nähe zu den Menschen, die uns wichtig sind, bewahren können.

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    Joram Harel Management
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