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Unbekannt verzogen: Roman

Unbekannt verzogen: Roman

Titel: Unbekannt verzogen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Winter
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Wichtigste.«
    Er steigt vom Stuhl und tritt ein paar Schritte von der Wand zurück, in der Hoffnung, sie würde aus der Entfernung besser aussehen. Leider nein.
    Er ergreift die nächstbeste Chance, das Thema zu wechseln. »Ist denn das die Möglichkeit? Noch nicht mal ein Uhr!«
    Früher wäre er jetzt schnurstracks zur Arbeit gefahren, aber früher hätte man das auch noch von ihm erwartet. Die Zeiten haben sich geändert, das muss sogar Albert erkennen. Die Welt hat sich ohne ihn weitergedreht, und er muss sehen, wie er zurechtkommt.
    Während er mitten im Zimmer steht, fällt ihm plötzlich auf, wie öde und leer der Tag vor ihm liegt.
    »Aha«, sagt er leise. »So sieht dann wohl das Rentnerleben aus …«

11
    Als sie Bob endlich zu Hause hat, rechnet Carol fest mit einem Stimmungsumschwung – oder doch zumindest mit irgendeiner Reaktion. Natürlich erwartet sie nicht, dass er Freudentänze aufführt, sondern sie ist eher darauf gefasst, dass sich plötzlich seine dunkelsten Ängste Bahn brechen oder er zum Beispiel in einem manischen Anfall jedes einzelne seiner gesammelten Fleetwood-Mac-Alben abspielt. Doch er schweigt. Er folgt ihr auf Schritt und Tritt, um sie ja nicht aus den Augen zu verlieren, aber er sagt kein Wort. Das kostet Nerven. Carol kommt es so vor, als ob er auf einen wie auch immer gearteten Ausbruch zusteuert. Gut möglich, dass er plötzlich lebendig wird und anfängt, Porzellan zu zerschlagen, oder sich mit einem ihrer IKEA -Messer das Ohr absäbelt.
    »Stimmt was nicht? Habt ihr was?«, fragt Sophie, während sie die Küchenschränke nach Essbarem durchforstet, doch der Ton straft ihre freundlich besorgten Worte Lügen. Man hört ihr an, dass sie nicht die leiseste Absicht hat, sich von den etwaigen Problemen ihrer Eltern runterziehen zu lassen.
    Bob sucht krampfhaft nach einer diplomatischen Antwort. Dabei wäre er im Moment wohl ohnehin kaum imstande, einen vernünftigen Satz herauszubringen.
    »Alles bestens«, sagt Carol.
    Sophie wirft ihr einen wütenden Blick zu. »Kann er nicht selber antworten? Bist du seine Mutter, oder was?« Ja, möchte Carol sagen, so komme ich mir oft vor, aber da stampft Sophie schon zur Haustür. »Ich verzieh mich mal lieber. Ihr seid echt voll daneben …«
    Schon ist sie weg, und die Welt sieht gleich viel freundlicher aus.
    »Teenager«, sagt Carol, aber Bob scheint sie nicht zu hören. Er hat sich in eine Ecke gedrückt und starrt auf das Gewürzregal.
    Laut hallt das Klingeln des Telefons durch das stille Haus. Carol überlässt Bob der andächtigen Betrachtung des getrockneten Basilikums, läuft ins Wohnzimmer und reißt den Hörer von der Gabel.
    »Hallo?« Sie verzieht das Gesicht. »Mum … Nein, wieso? Was sollte denn nicht in Ordnung sein?«
    Bob erscheint in der Tür, er hat die Schultern hochgezogen, als könnte sein Körper sonst jeden Augenblick in sich zusammensacken.
    »Nein, nein«, sagt sie munter. »Uns geht’s gut. Sophie … ist nicht da. Und Bob und ich, äh … wir haben uns heute frei genommen, wir wollen das schöne Wetter ausnutzen.« Plötzlich fällt ihr ein, dass es ein kalter, grauer Tag ist. »Ich meine nur, bevor der Winter richtig losgeht.«
    Carol wehrt die Fragen und Bemerkungen ihrer Mutter mit wachsender Gleichgültigkeit ab – wie ein ausgelaugter Tennisprofi, dem die Leidenschaft für das Spiel abhandengekommen ist.
    Nach wenigen Minuten beendet sie das Gespräch. »Ich komme nächste Woche mal auf einen Sprung vorbei.« Sie legt auf.
    Wieder macht sich Stille breit, bis Bob schließlich sagt: »Der Nachtisch im Kühlschrank sieht toll aus. Hast du den extra besorgt, um mir eine Freude zu machen?«
    »Äh, ja.«
    Er fängt an zu weinen. »Ich habe dich nicht verdient.«
    Wie recht er doch hat. Aber bevor Carol etwas sagen kann, klappen Bob die Beine weg und er rutscht am Türpfosten hinunter zu Boden.
    Sie geht zu ihm und knetet ihm die Schulter, ein kumpelhafter Ersatz für Intimität. »Bob, du wirst schon wieder. Wir stehen das durch, ja?«
    Von Weinkrämpfen geschüttelt, rollt er sich auf dem Fußboden zusammen und versucht, sein tränennasses Gesicht vor ihr zu verbergen.
    »Komm mal her …« Sie hockt sich neben ihn und nimmt ihn in den Arm. Instinktiv schlüpft sie in die Rolle der Ehefrau und Mutter, die alle Probleme lösen kann, nur nicht ihre eigenen.
    Während sie ihn an sich drückt und leise hin und her schaukelt, dankt sie dem Schicksal, dass der Krebs, der wie ein Damoklesschwert über ihm

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