Und bitte für uns Sünder
die Haustür aufging. Ich
hörte ein charakteristisches Klappern, das bedeutete, dass heute nicht der Tag
war, den ich faul in der Sonne verbringen würde. Denn ich kannte die sechs
Wörter auswendig, die ich gleich zu hören bekommen würde.
»Heute liegt Putzen in der Luft«, sagte meine GroÃmutter und
schepperte hinter mir zufrieden mit unserem weiÃen Emailleeimer. Wie Putzen in
der Luft liegen kann, frage ich mich schon lange nicht mehr. Ich schalte jeden
Gedanken an eine bessere Beschäftigung ab und tue, was von mir verlangt wird.
Fenster putzen. Matratzen entstauben. Schränke auswischen. Die einzige Tätigkeit,
die mir nie zugemutet wird, ist, unsere Edelstahlspüle auszuwischen. Das ist
die Aufgabe von GroÃmutter. Sie macht das ungefähr tausendmal am Tag oder noch
öfter, und wenn sie auch sonst alles vergisst, ihre Medikamente nicht nimmt,
das mit dem Edelstahlspülewienern vergisst sie nie.
Wenn an einem so schönen Tag wie heute Putzen in der Luft lag und
GroÃmutter mit einem Eimer auÃer Haus ging, war es, konkret gesprochen,
Kirchputz, der in der Luft lag. GroÃmutter war sechsundachtzig Jahre alt. Sie
würde bald siebenundachtzig werden. Aber das war kein Grund, sich sagen zu
lassen, dass sie den Kirchputz versäumt hätte. Also setzte ich mich wohl oder
übel auch mit in Bewegung.
Später würde ich mich ärgern, statt des Kircheputzens nicht doch die
Erdschollen wieder umgedreht zu haben.
Vor der Kirche trafen wir die Ernsdorferin. Das ist die Frau vom
Ernsdorfer Klaus, der das Sägewerk drauÃen am Wald hat. Und sein Vater, das ist
auch der Ernsdorfer Klaus. Bei uns sagt keiner Senior zu ihm, sondern das heiÃt
dann, der Ernsdorfer, der alte Bürgermeister, du weiÃt schon, der mit dem
Parkinson. Dabei vergaÃen die Leute aber immer, dass er nicht nur Parkinson
hatte, sondern sich auch an nichts mehr erinnern konnte. Aber wie hätte sich
das angehört. Der Ernsdorfer, du weiÃt schon, der mit dem Parkinson, der sich
an nix mehr erinnern kann.
Beide Ernsdorfers sind verheiratet, und die jüngere Ernsdorferin hat
einen ganz schlimmen Putzfimmel, den sie allerdings nie in der Kirche auslebt.
GroÃmutter erzählte wahrscheinlich deshalb ziemlich ausführlich,
dass sie jetzt gleich »klar Schiff« in der Kirche machen würde. Die
Ernsdorferin wurde etwas grünlich im Gesicht. Das werden sie allerdings alle,
wenn GroÃmutter vom Kirchputz erzählt. Weil GroÃmutter ihnen dann wahlweise
unterstellt, dass sie gar nicht putzten (wie die Ernsdorferin) oder schlecht
putzten (wie die Bet seinerzeit). Die Ernsdorferin zahlte es uns aber mit
gleicher Münze heim, indem sie vom Ernsdorfer, dem alten Bürgermeister, du
weiÃt schon, dem mit dem Parkinson, erzählte. Den mussten sie nämlich zu Hause
pflegen, weil so ein Pflegeheim viel zu viel kostet. GroÃmutter schoss mir hin
und wieder einen bösen Blick zu, als könnte ich mich auch mit dem Gedanken
tragen, sie in ein Pflegeheim zu geben.
»Des können wir uns nicht leisten«, sagte sie hin und wieder äuÃerst
zufrieden.
»Die Rente haben sâ ihm erhöht«, sagte die Ernsdorferin düster. »Um
ein Euro vierundzwanzig Zent.« Sie sprach die Cent mit Zett aus und rollte
dabei die Augen. »Stell dir das mal vor. Ein Euro vierundzwanzig Zent. Der
Klaus hat glei angârufen.«
Hm. Da hatte wahrscheinlich der Anruf eine ganze
Monatsrentenerhöhung gekostet.
»Er hat ihnen gâsagt, des könnts euch hint reinschieben. Den Euro.
Und die Zents könnts nachdrucken«, sagte sie ziemlich zufrieden über ihre
Wortwahl.
»Dann behalts ihn doch daheim«, schlug GroÃmutter sehr zartfühlend
vor und lieà den Putzeimer scheppern.
Die Ernsdorferin rollte schon wieder mit den Augen. »Freilich. Oder
meinst, wir haben den GeldscheiÃer daheim? Aber ein Spaà is des nicht. Er hat
alles vergessen. Wenn ich komm und was mach, dann meint er, ich bin der
Hausmeister. Wennâs dumm geht, dann meint er, ich brech ein, und geht mit dem
Kochlöffel auf mich los.«
Ich verkniff mir ein Grinsen. GroÃmutter sah jedoch so bitterböse
drein, dass mir das Lachen verging. Und auch die Ernsdorferin sah nicht aus,
als würde sie es lustig finden.
»Ein Euro vierundzwanzig Zent«, sagte sie noch einmal. »Pfleg du mal
einen Mann, der dich ned mehr kennt. Der spuckt uns ja schon aufs
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