0361 - Gangstermord vor hundert Zeugen
In dem dunklen Chrysler wartete der Tod. Der Wagen stoppte wenige Yard hinter dem Greyhound-Bus, dessen Fahrgäste ins Freie drängten.
Als letzter stieg ein kleiner, schmächtiger, etwa vierzigjähriger Mann aus. Eine randlose Brille gab seinem farblosen Gesicht einen Ausdruck heller Intelligenz. Der Mann trug über dem linken Arm einen hellen Regenmantel, in der Hand hielt er eine dunkle Tasche.
Der dunkle Chrysler setzte sich langsam in Bewegung. Als er auf gleicher Höhe mit dem schmächtigen Mann war, schob sich der Lauf einer Tommy Gun durch das rechte Hinterfenster.
Jäh ratterte die Maschinenpistole los.
Entsetzt versuchten die Fahrgäste, sich aus der Schußlinie zu bringen.
Für den Mann mit der randlosen Brille kam jede Reaktion zu spät. Die Salve aus der Maschinenpistole galt ihm. Der Mann fiel auf das Straßenpflaster und blieb reglos liegen. Die schmale Tasche entglitt seiner Hand und rutschte über den Boden.
Der Chrysler verringerte seine Geschwindigkeit. Ein Mann sprang aus dem Wagen. Er hielt seinen Unterarm schützend vors Gesicht, bückte sich blitzschnell nach der Tasche, hob sie auf und verschwand wieder im Auto.
Der Motor des Chrysler heulte auf, der Wagen schoß davon.
Die erstarrte Menschengruppe blieb in fassungslosem Entsetzen zurück.
***
Wir kamen vom Training in der FBI-Turnhalle zurück und freuten uns auf ein kräftiges Steak, als durch den Laut-Sprecher im Gemeinschaftsraum die Meldung kam, daß sich Jerry Cotton und Phil Decker beim Leiter des FBI-Distrikts New York, Mr. High, einfinden sollten.
Im Vorzimmer des Chefs empfing uns seine Sekretärin.
»Gehen Sie bitte gleich hinein. Mr. High erwartet Sie schon.«
Der Chef saß hinter seinem Schreibtisch und schob, als er uns sah, einige Akten zur Seite. Mit einer Hand machte er eine einladende Bewegung, wir ließen uns in die Sessel fallen.
»Ich habe hier einen Bericht von der City Police, der heute morgen bei uns eingegangen ist. Gestern nachmittag ist ein aus Europa kommender Tourist in der 5. Avenue aus einem vorbeifahrenden Wagen mit einer Maschinenpistole erschossen worden. Nach den Beobachtungen von über hundert Augenzeugen handelt es sich bei dem Wagen um einen Chrysler. Das Kennzeichen war allerdings dick mit Schmutz verschmiert, so daß niemand die Nummer erkennen konnte.«
Phil und ich hörten den Worten des Chefs gespannt zu.
»Die City Police wird eine schwere Aufgabe haben«, sagte ich.
»Nicht die City Police, sondern Sie und Phil«, sagte unser Chef. »Bei dem Ermordeten handelt es sich um einen gewissen Jan van der Moolen. Er war kein harmloser Tourist, denn seinetwegen hatte sich ein Beamter des Amsterdamer Falschgelddezernats, Henk Visser, der Touristengruppe angeschlossen. Dieser Beamter wurde unfreiwillig Zeuge der Ermordung. Van der Moolen war wahrscheinlich der Kopf eines kürzlich in Amsterdam entdeckten Falschgeldringes. Er hat während des Krieges in offiziellem Auftrag falsche Banknoten in den Währungen der Alliierten hergestellt, und wahrscheinlich hat er auch die Druckplatten für die Amsterdamer Blüten angefertigt.«
»Und was wollte Moolen in New York?« fragte Phil.
»Nach den letzten Ermittlungen«, fuhr Mr. High fort, »kamen die Amsterdamer Kollegen zu dem Schluß, daß van der Moolen sich mit einem unbekannten Mann in Verbindung gesetzt hatte, für den er schon seit mindestens zwei Jahren gearbeitet hat. Die in Amsterdam entdeckten Blüten würden demnach nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Falschnoten ausmachen. Der Auftraggeber van der Moolens soll, darüber haben die holländischen Kollegen keinen Zweifel, in New York sein, denn alle Spuren, die man bisher aufnehmen konnte, enden in unserer Stadt. Der Mord an Jan van der Moolen erhärtet die Theorie. Vielleicht haben seine Auftraggeber erfahren, daß der Fälscher überwacht wird, und wollten einen unbequemen Mitwisser beseitigen.«
»Das kann stimmen«, warf Phil ein, »wenn der Auftraggeber die Druckplatten hat, kann ihm der Hersteller dieser Platten gleichgültig sein.«
Ich nickte und wandte mich an den Chef.
»Gibt es nähere Anhaltspunkte, wo wir den Auftraggeber und damit den Mörder Jan van der Moolens zu suchen haben?«
Der Chef schüttelte den Kopf.
»Nein, Jerry. Wir wissen nach dem Bericht des Amsterdamer Beamten, daß van der Moolen noch auf dem Flughafen ein Treffen mit einem Unbekannten vereinbart hatte. Der Beamte hat sogar durch Zufall erfahren, wo dieser Treffpunkt sein sollte. Er hörte die Worte
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