Und fuehre uns in die Versuchung
Frauenkonvent relativ unversehrt durch die Verlockungen der neuen lutherischen Freiheiten zu bugsieren.
Was aber ist in Katharina selbst vorgegangen?
Wir haben nach Wegen gesucht, die überlieferten Ereignisse zu interpretieren, und sind auf drei denkbare Szenarien gekommen:
Da ist erst einmal die hilflose Frau, die von ihren Mitschwestern überwältigt und festgehalten, der massive Gewalt angetan und die letztlich gebrochen wurde.
Diese Möglichkeit war uns zu schmerzlich – und ist sie nicht auch unwahrscheinlich?
De facto sind damals reihenweise Nonnen aus Klöstern geflohen – man denke nur an Martin Luthers zukünftige Frau Katharina von Bora in ihrem Heringsfass oder auch die eine Birgittennonne aus Altomünster, die es in Wirklichkeit ja – wahrscheinlich zumindest – sogar ohne einen Arno geschafft hat.
Daher erschien es uns glaubhaft, dass es auch Katharina Greulich möglich gewesen wäre zu fliehen. Wenn sie denn gewollt hätte.
Das zweite Szenario:
Die trotzige, religiöse Fanatikerin, die sich als Märtyrerin leidenschaftlich zu ihrem 'Idol' Oekolampadius bekannte und es genoss, für ihn und seine Bewegung ihr Leben oder wenigstens ihre Freiheit zu opfern.
Hieran tröstlich wäre, dass sie ihr Leben aus freiem Entschluss in Haft verbracht – und all die Jahre in Unfreiheit somit als nicht verschwendet, sondern als gerade sinnvoll empfunden hätte.
Für unseren Roman gefiel uns die dritte Deutungsmöglichkeit am besten: die Liebe. Und stellt die nicht auch die stärkste aller Motivationen dar?
Katharina als leidenschaftliche Frau, die aus Liebe zu einer Mitnonne im Kloster bleiben wollte – selbst um den Preis ihrer Freiheit.
Hier war es uns dann ein besonderes Bedürfnis, sie im Rahmen ihrer Gefangenschaft so glücklich wie möglich zu machen.
Wie auch immer man über Schwester Greulichin und ihr Schicksal spekulieren mag: Für den Fortbestand des aufseiten der Männer ja sehr gebeutelten Klosters hat sie eindeutig eine Funktion gehabt.
Der Frauenkonvent zumindest hat diesen und alle weiteren Stürme überstanden und existiert noch heute.
Wir finden, dass Katharina dazu beigetragen hat.
Tagesablauf und Begriffserklärung
Der Tagesablauf in einem spätmittelalterlichen Kloster ist nicht an Uhrzeiten angelehnt, sondern am Tageslicht. Der Tag beginnt noch vor Sonnenaufgang mit Vigil.
Danach kommt schon Laudes, die erste der sieben Tageshoren, an die sich die zweite Hore, Prim, anschließt.
Während Vigil und Laudes noch bei Dunkelheit gebetet werden, ist Prim die erste Stunde des Tages(-lichtes). Danach wird die Messe zelebriert und die Nonnen bekommen die Kommunion.
Anschließend beginnt die Vormittagsarbeit, die von Tertia (dritte Stunde des Tages) unterbrochen wird. In 'unserem' Kloster darf diese Hore während der Arbeit gebetet werden.
Nach dem Mittagessen (es gibt nur zwei Mahlzeiten pro Tag) gibt es eine Stunde Pause, die Rekreation.
Danach wird Sexta gebetet, die sechste Tagesstunde.
Nun gibt es wieder einen Arbeitsabschnitt, unterbrochen von Nona, der neunten Stunde Tageslicht.
Anschließend findet das Kapitel statt, die Versammlung im Kapitelsaal: Neuigkeiten werden besprochen, Ermahnungen erteilt oder eben das Schuldkapitel abgehalten.
Daran schließt sich Vesper an, die nächste Hore, der das Abendessen folgt.
Danach kommt noch Komplet als siebte Hore.
Damit ist der Tag beendet, das Nachtsilentium, das nächtliche Schweigen, beginnt. Die Nonnen begeben sich in ihre Zellen, sollen beten und andächtig sein und dann schlafen gehen.
Um sich das Ganze mit Uhrzeit vorzustellen:
04:30 Uhr: Wecken
05:00 Uhr: Vigil und Laudes im Frauenchor
06:00 Uhr: Prim und Messe, ebenfalls im Frauenchor
07:30 Uhr: Arbeit
9:00 Uhr: Tertia
Arbeit
10:30 Uhr: Mittagessen im Refektorium, dem Speisesaal
Rekreation, ebenfalls im Refektorium
12:00 Uhr: Sexta im Frauenchor
Arbeit
15:00 Uhr: Nona
Arbeit
16:00 Uhr: Kapitel im Kapitelsaal, dem Versammlungsraum
17:00 Uhr: Vesper im Frauenchor
18:00 Uhr: Abendessen im Refektorium
19:00 Uhr: Komplet im Frauenchor
Wobei die Uhrzeiten variieren. Im Sommer sind die Stunden länger, weil sie sich auf eine sehr viel längere Tages-Lichtzeit verteilen.
In unserer Geschichte, die ja im Herbst und Winter spielt, verteilen sich die Stunden so etwa, wie oben
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