Und fuehre uns in die Versuchung
Schrei war von der anderen Seite gekommen. Und als Mathilda es endlich geschafft hatte, sich umzudrehen, sah sie nur noch geifernde Münder, in höchster Angst verzerrte Gesichter, hörte irres Kreischen.
„AAAAH!“
„Der Teufel!“
„Er ist hier!“
„Mitten unter uns!“
Arno zeigte sich davon unbeeindruckt, zog Mathilda an sich, legte seine Arme um sie. „Wird es gehen?“
Sie nickte. „Bring mich weg“, sagte sie in sein Ohr.
„So schnell wie möglich.“ Da hatte er sie schon hochgehoben, auf den Arm, und die ersten Schritte durch die brüllende Menge gemacht, die hektisch zur Seite wich. Mathilda schlang ihren unverletzten Arm um seinen Nacken, schmiegte sich eng an ihn, um sich ihm so leicht wie möglich zu machen. Die Schmerzen kamen ihr unwirklich vor, weit entfernt, sie selbst war erfüllt von einer wunderbaren Ruhe. Arno war gekommen und hatte sie gerettet, und nun schwebte sie auf seinen Armen aus aller Gefahr.
Mühelos erreichten sie die Tür. Wo noch eine einzelne graue Person stand.
„Alles Gute!“ Die Stimme war nur ein Hauch, aber eindeutig Edeltrauds.
Mathilda drehte den Kopf gerade so weit, dass er noch an Arnos Schulter bleiben konnte.
„Danke!“ Nur ihre Lippen bewegten sich, der Mund blieb stumm. „Danke!“
Edeltraud nickte ernst – und schloss die Tür hinter ihnen.
Er hatte sie sicher, er trug sie, weg, nur weg von diesem feindlichen Ort. Zumal er nicht mehr bewaffnet war, die Axt, mit der er eben auf die Kapitelsaaltür eingedroschen hatte, um dem Getümmel dort drinnen Einhalt zu gebieten, steckte noch immer im ehrwürdigen Holz.
S eine Schritte hallten auf dem Steinboden, als er den Gang in Richtung Pforte einschlug, den Weg aus dem Kloster, hinaus, in ihr gemeinsames neues Leben.
Dieser Augenblick hätte ein schöner sein müssen, keiner mit Blut und Tränen und Angst. Mathilda war Gewalt angetan worden, ihr Körper versehrt, ihre Seele womöglich fürs Leben gezeichnet. Und er war schuld. Er war zu spät gekommen. Weil er sich in die Liebe der beiden Frauen hatte einmischen müssen, Katharinas Schicksal spielen. Sonst hätte er den Lärm früher gehört und schneller einschreiten können.
Sie erreichten die Pforte, die, wie verabredet, unverschlossen geblieben war. Mathilda rutschte von seinem Arm, er riss die Tür auf, schob seinen um ihre Taille, sie beide miteinander hinaus.
„Was haben sie mit dir gemacht?“, musste er endlich wissen.
„Das war was Spitzes“, murmelte Mathilda, bewegte die Schulter, stöhnte auf, schwankte.
„Eine Schere, ich habe sie gesehen.“
Er wollte sie wieder an sich ziehen, sie weiter tragen, doch sie schüttelte nachdrücklich den Kopf und stolperte auf eigenen Füßen vorwärts. Sie seitlich stützend, so gut er konnte, liefen sie den Weg zu den Ställen entlang.
Er sah zu ihr hinüber. „Deine schönen Haare.“ Die er so geliebt hatte. Und es brach ihm das Herz, Mathildas Hand an ihren Kopf fahren zu sehen. Ihr geschocktes Gesicht.
Doch dann hörte er sie lediglich einen grimmigen Laut ausstoßen. „Es wird wieder wachsen“, sagte sie und versuchte sichtlich, gleichmütig zu scheinen .
Sie war so tapfer, so unverwüstlich optimistisch, so mutig, so stark!
„Und Katharina ...?“ Atemlos, ihre Kräfte schienen abzunehmen.
Aber sie waren gleich da.
Arno schüttelte den Kopf und lenkte seine Schritte über den Hof, zur Seitentür des Pferdestalls.
Mathilda nickte bloß.
„Da seid Ihr ja endlich!“ Preuß kam ihnen entgegen. „Nur zu zweit? Und oh – Eure ... Frau ist verletzt? Wartet, ich hole ...“
„Es ist nicht so schlimm, lasst uns lieber gehen“, widersprach 'seine Frau'.
„Wo sind unsere Pferde?“, fragte er dazwischen. „Wir brauchen eines weniger.“
„Zwei“, folgerte Preuß. „Meines ist bereits vorn. Diese beiden hier könnt Ihr nehmen. Ich gehe schon vor und erwarte Euch beim Tor.“ Er verschwand durch die Seitentür.
Arno öffnete die erste Box und führte seinen fertig aufgezäumten Wallach heraus. Gerade hatte er Mathildas Pferd am Zügel, als –
Die Tür! Er fuhr herum. Wer ...?
Eine Chorfrau – Elisabeth!
Auch Mathilda neben ihm stöhnte erleichtert auf.
„Ich bringe Verbandszeug.“
Arno hob die Hände. „Das ist gut, das ist …“ er unterbrach sich. „Wirst du verfolgt?“
„Ich glaube nicht, drin herrscht noch das totale Chaos.“
„Danke, das ist so lieb von dir, ich danke dir!“ Mathilda strahlte die Frau an, die sich jetzt doch noch als
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