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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Sie würde erneut beichten müssen, ehe sie in die heilige Gemeinschaft der Ordensschwestern aufgenommen werden konnte. Dabei wollte sie es doch richtig machen. Von Anfang an.
    Eilig legte sie die rechte Hand auf ihr Herz, neigte den Kopf und flehte um die vorschriftsmäßige Einstellung für dieses ihr beschiedene Leben. Hintergangen wurde dieser fromme Wunsch allerdings durch einen Anflug von Trotz, der ihr hartnäckig suggerierte, dass nicht sie sich dieses Leben ausgesucht hatte. Ihre Wahl wäre eine völlig andere gewesen und hatte in sehr eindeutiger Weise mit den Gedanken zu tun, die im Kloster als sündig galten.
    Um sich abzulenken, drehte sie sich um, trat an die kleine Sprechluke in der Klosterpforte und sah hinaus. Die Sonne schien harmlos von einem rein blauen Himmel. Mathilda konnte bunt belaubte Bäume sehen. Wehmütig betrachtete sie einige sacht herniedersegelnde Blätter. Niemals mehr würde sie einen Spaziergang durch den herbstlich gefärbten Wald machen, niemals mehr mit ihren Schuhen laut juchzend in raschelige Laubhaufen fahren und diese zerteilen. Ihre Bestimmung war es, zu entsagen. Freudlosigkeit, hatte sie zu Vater Sigismund gesagt, sei ihr vorherbestimmt.
    Was er entschieden zurückgewiesen hatte. Sie würde neue Freude gewinnen. Das mochte sein, auch wenn sie sich dessen überhaupt nicht gewiss war. Sicher war sie momentan nur, sie würde Armut geloben müssen, und noch einiges mehr. Mathilda seufzte.
    Das mit der Armut war wirklich schnell gegangen. Alles was sie jetzt noch besaß, lag in zwei Kisten verpackt vor genau dieser Türe. Wo sie Friedemanns Kutscher nur eilig abgeladen hatte, ehe er davongefahren war. Mathilda stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf, konnte ihr Gepäck jedoch nicht sehen. Was sollte es, es waren ja ohnehin nur Kisten mit Klosterbedarf. Von ihren persönlichen Dingen hatte sie gar nichts mitbringen dürfen. Keine Erinnerung an zuhause, an ihre Mutter oder den Vater, nichts, was sie ihrem früheren Leben nah hätte bleiben lassen können. Hier wurde von ihr erwartet, dass sie das, was bisher ihr Leben gewesen war, vor dieser Pforte zurückließ und von nun an nur noch Nonne sein würde.
    Aber das war so schwer. Ihr altes Leben lag bereits hinter ihr – und das neue hatte noch nicht einmal begonnen.
    „Ave Maria.“
    Jemand war gekommen und sie hatte es nicht gehört! Hastig fuhr sie herum.
    „Grüß Gott“, sagte sie der größeren und dunkelbehaupteten Nonne entgegen und bemühte sich um einen frischen Tonfall. „Ich bin Mathilda von Finkenschlag ...“
    „Die Kandidatin“, wurde sie in sanftem, aber sehr bestimmtem Ton unterbrochen.
    Ergeben nickte sie und musterte ihr Gegenüber genauer. Diese Nonne hier war älter und dünner als die erste. Asketisch sah sie aus – und das wirkte auf Mathilda alles andere als beruhigend. Im Gegensatz zu der Nonne zuvor trug diese über dem weißen Gesichtstuch einen schwarzen Schleier und darüber eine Art weißes Kreuz mit roten Punkten.
    Vater Sigismund hatte ihr erklärt, dass dies die Birgittenkrone sei und die roten Punkte die fünf Wundmale Christi am Kreuze symbolisierten. Aber auf Mathilda wirkte diese sogenannte Krone wie ein Gitter – als Symbol für das, was für sie anstand: eingesperrt zu werden.
    „Komm“, die Nonne wandte sich ab, ging durch die Türe und verschwand.
    „Was ist mit meinem Gepäck?“, rief Mathilda ihr hinterher und war kaum verwundert, als keine Antwort kam. Das schien hier üblich zu sein. Nun gut, mochten die Kisten draußen warten. Es gab sicher nur wenige Menschen, die an grauen Kutten, einfachsten leinenen Unterkleidern, an schlichten Hauben und groben Handtüchern Bedarf hatten.
    Alles, was von Wert war, hatte ihr Vater bereits vorab hierher bringen lassen. Die Stiftungsschriften, die ihre Mitgift darstellten, die ansehnliche Guldenzahl. Ebenso hatte er bereits alles bezahlt, was das Kloster ihr an Bedarfssachen zur Verfügung stellen würde.
    Wort- und widerstandslos folgte Mathilda der Nonne ins Innere des Gebäudes. Über eine kurze Treppe, durch lange, klamme und düstere Korridore, vorbei an einer unbestimmten Zahl dunkler Holztüren bis vor eine, die größer und eindrucksvoller war als die anderen, aber ebenso geschlossen.
    Die Nonne wandte sich zu ihr. „Du wirst jetzt zur Äbtissin gebracht, wirst dich vor sie hinknien und mit gesenktem Kopf lauschen. Und du wirst nur sprechen, wenn sie dich etwas fragt.“
    Feine Aussichten! Gleich eine Lektion in

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