Und Jimmy ging zum Regenbogen
1938 Winkeladvokat, dann plötzlich erfolgreich und besser situiert – verdankte dem Dritten Reich seine Karriere! Und der Richter – dieser Doktor Glogg. nigg, das war ein richtiger Sadist. Hier! Sie müssen sich nur einmal das Protokoll anschauen …«
6
»Also Ihr Mann bevorzugte eine besondere Art des Verkehrs?«
»Ja.«
»Die Sie quälte und nicht befriedigte.«
»Ja.«
»Ich lese Ihnen nur Ihre eigene Aussage vor. Danach hat diese Art des Verkehrs mit Ihrem Ehegatten, dem Paul Israel Steinfeld, Sie schwer abgestoßen. Das steht auf Seite drei der Erklärung von Frau Steinfeld, meine Herren, oben.«
»Herr Vorsitzender …«
»Einen Moment, Herr Rechtsanwalt! Jetzt frage
ich!
«
»Sicherlich, aber …«
»Aber was? Das scheint mir doch einer der Angelpunkte für das Verhalten von Frau Steinfeld zu sein. Nicht wahr, Herr Doktor Kummer?«
»Vollkommen Ihrer Ansicht, Herr Vorsitzender! Absolut …«
»Nun denn, also. Ich finde das reichlich vage – ›besondere Art des Verkehrs‹. Wollen Sie sich präziser fassen, wenn ich bitten dürfte, Frau Steinfeld.«
»Mein Gott, das ist für mich …«
»Sie stehen hier vor Gericht! Sie müssen die reine Wahrheit sagen. Sie selber haben dieses Verfahren angestrengt. Meine Fragen dienen der Wahrheitsfindung. Oder meinen Sie etwa, ich stelle sie zum
Vergnügen?
«
»Natürlich nicht.«
»Dann äußern Sie sich deutlicher.«
»Eine anormale Art des Verkehrs …«
»Anormal. Anormal ist vieles. Genauer!«
»Er … mein Mann … er wählte nicht den normalen Weg, er …«
»Jetzt langt es mir aber, Frau Steinfeld! Wenn Sie nicht direkt reden wollen, dann muß ich direkt fragen. Also: Bevorzugte der Paul Israel Steinfeld einen Verkehr durch den After?«
»Herr Vorsitzender, ich bitte doch höflichst, zu überlegen, ob man meine Mandantin nicht etwas schonender befragen könnte!« Forster springt wieder auf, erregt zupft er an seinem rechten Ohr.
»Herr Rechtsanwalt, ich glaube, das müssen Sie schon mir überlassen. Ich bin so schonend, wie es nur geht. Sie wollen mich doch nicht etwa an der Aufhellung von Tatbeständen hindern?«
»Natürlich nicht, Herr Vorsitzender.«
»Außerdem – wir sind hier alle keine kleinen Kinder mehr. Es wird wohl niemand unter den Anwesenden seelische Schäden davontragen durch eine solche Befragung.«
»He, he«, keckert der Kurator Dr. Hubert Kummer.
Du verfluchter Hund, denkt Forster, der den Vorsitzenden, den Landgerichtsdirektor Dr. Fritz Gloggnigg, anstarrt. Die Zähne sollte man dir einschlagen dafür, wie du jetzt diese arme Frau quälst, die da vor dir steht, bleich und bebend. Und du, dreckiger Speichellecker von einem Nichts, den die Zeit hochgeschwemmt hat, denkt er und wendet den Kopf ruckartig zu dem Kurator Dr. Hubert Kummer, der noch immer feixt, du bist begeistert, du kannst dich gar nicht fassen vor Entzücken über diesen Menschenquäler von einem Richter – ach, wenn ich dir doch in die Visage hauen könnte! Ich habe ja befürchtet, daß das so zugehen wird. Hoffentlich hält Frau Steinfeld durch. Bleich ist sie wie Wachs.
»Wollen Sie endlich wieder Platz nehmen, Herr Rechtsanwalt?«
Forster setzt sich auf einen harten, einfachen Stuhl und massiert sein Ohr. Die drei langen Bänke des Zuhörerraums, der, durch eine Barriere abgetrennt, menschenleer daliegt, sind aus demselben dunklen Holz wie die Stühle und die beiden großen Tische für Forster und Kummer. Die Anwälte sitzen einander gegenüber. Hinter Forster befinden sich drei große Fenster. Frühlingssonne, warm und grell, fällt in den Raum. Es ist ein schöner Tag – für andere Menschen. Neben Forster steht ein leerer Stuhl. Hier sitzt Valerie, wenn sie nicht gerade verhört wird, wie jetzt. Jetzt hat sie den Platz neben Forster an dem mit Akten und Büchern vollgeräumten Tisch verlassen und steht vor dem Richtertisch, der sich erhöht auf einem Podium befindet. Landgerichtsdirektor Dr. Gloggnigg, groß, untersetzt, mit braunem Haar und kalten, glitzernden Augen, thront über Valerie. An einer Querseite des breiten Tisches arbeitet die farblose, junge Stenographin Herta Bohnen, das fahle Haar zu einem Knoten hochgefaßt, ungeschminkt, mit stumpfem Blick und dumpfem Gesichtsausdruck, kaum je aufblickend, scheinbar (und vermutlich wirklich, denkt Forster) unbeteiligt, gelangweilt, gefühllos und uninteressiert.
Den Wandschmuck hinter Richter Gloggnigg bildet ein großes Hitlerbild unter Glas.
Der Landgerichtsdirektor
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