Erobert von tausend Kuessen
1.KAPITEL
Es ist doch immer wieder schön, nach Hause zu kommen, dachte Francesca, als das Flugzeug über dem Hafe n in Schräglage ging und der Pilot den Landeanflug vorbereitete.
Der Blick auf Sydney war atemberaubend: Bürohochhäuser, die Stahlkonstruktion der Harbour Bridge, das muschelförmige Opernhaus, umgeben vom glitzernden blauen Meer - die zahlreichen Buchten und Meerengen.
Blauer Himmel und Sonne versprachen einen warmen Sommertag und bildeten einen krassen Gegensatz zu dem Wetter, das sie noch einen Tag zuvor in Rom erlebt hatte.
Die Boeing hatte die Landebahn erreicht, setzte auf, wurde abgebremst und rollte langsam zur zugewiesenen Haltebucht.
Gepäckausgabe und Zoll ließ Francesca in Rekordzeit hinter sich, nun bahnte sie sich einen Weg durch die Ankunftshalle.
Sie war sich der vielen bewundernden Blicke durchaus bewusst.
Dabei war sie heute eher unauffällig gekleidet und zurechtgemacht. Sie trug einen elegant geschnittenen dunkelblauen Hosenanzug, hatte nur wenig Make-up aufgelegt, und sie hatte ihr mahagonifarbenes Haar locker aufgesteckt.
Man sah ihr nicht auf den ersten Blick an, dass sie ein international gefragtes Mannequin war.
Vor dem Flughafengebäude warteten keine Fotografen oder Kamerateams, und im Gegensatz zu sonst war auch keine Limousine mit livriertem Chauffeur bestellt. Francesca wollte nämlich die nächsten Tage ungestört mit ihrer Familie und mit Freunden verbringen. Das Karussell von Modeschauen, Fototerminen und öffentlichen Auftritten würde sich sowieso bald wieder schnell genug mit ihr drehen.
Taxis warteten am Straßenrand auf Fahrgäste, und Francesca stieg schnell in einen der Wagen, teilte dem Fahrer mit, wohin sie wollte, und lehnte sich entspannt zurück.
Auf allen Fahrspuren herrschte lebhafter Verkehr. Francescas Route führte vorbei an Lagerhäusern, Grünanlagen und an mit Graffiti verzierten beziehungsweise verunstalteten Betonmauern, je nachdem, welche Einstellung man dazu hatte.
Viele Städte auf der Welt sehen so aus, dachte Francesca.
Doch es war ihre Stadt. Hier war sie geboren und aufgewachsen, als Tochter eines italienischen Vaters und einer australischen Mutter, die sich nie an die Zwänge der Ehe hatte gewöhnen können.
Francesca konnte sich noch sehr genau an die vielen lautstark geführten Auseinandersetzungen ihrer Eltern erinnern, bevor sie in einem Internat eingeschult worden war und von da an die Ferien jeweils bei dem einen oder dem anderen Elternteil verbrachte.
Was für eine Familie, dachte sie ironisch. Sie hatte drei Stiefväter, von denen zwei ihr väterliche Liebe
entgegengebracht hatten. Der vierte Ehemann ihrer Mutter hatte kurz nach den Flitterwochen seine Vorliebe für he ranwachsende Mädchen zum Ausdruck gebracht. Stiefgeschwister waren in ihr Leben gekommen und genauso schnell wieder verschwunden.
Und dann gab es noch Madeline, die bildschöne blonde Frau ihres Vaters.
Francescas Karriere als Mannequin, die eigentlich eher zufällig begonnen hatte, verlief inzwischen so erfolgreich, dass Francesca eine Wohnung in jeder Hauptstadt der Modewelt hatte. Sie fühlte sich in Paris, Rom und New York gleichermaßen heimisch und war bei den Modeschauen der berühmtesten Couturiers der Welt gefragt.
"Fünfundzwanzig Dollar."
Die Stimme des Taxifahrers riss sie unsanft aus ihren Tagträumen. Francesca entnahm ihrem Portemonnaie zwei Banknoten, reichte sie dem Fahrer und sagte: "Stimmt so."
Der Mann bedankte sich erfreut für das gute Trinkgeld, gab Francesca seine Visitenkarte und sagte, sie könne ihn gern jederzeit anrufen, wenn sie ein Taxi brauche.
Kurz darauf öffnete Francesca eine Glastür mit einer Schlüsselkarte und betrat eine Halle.
Die junge Frau am Empfang lächelte freundlich. "Schön, dass Sie wieder da sind." Sie gab Francesca einen Schlüsselbund und einen. Stapel Post. "Das Mietauto steht am selben Platz wie immer, die Papiere sind im Handschuhfach."
"Danke."
Francesca fuhr im Lift bis zum obersten Stockwerk, schaltete die Alarmanla ge aus und betrat ihre Wohnung.
Es duftete nach Bienenwachs und Blumen. Ein Strauß pfirsichfarbener Rosen stand auf dem Couchtisch. Daneben lag eine Karte von Francescas Mutter. "Willkommen zu Hause, Liebes!" stand darauf.
In der Mitte des Esstisches fand sich eine Vase mit Strelitzien und einheimischen Blumen. Daneben lag eine Karte von ihrem Vater, der genau das gleiche geschrieben hatte wie ihre Mutter.
Auf dem Anrufbeantworter waren fünf
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