Und Jimmy ging zum Regenbogen
schlank, hatten beide dichtes schwarzes Haar und schwarze Augen, breite Stirnen, hohe Backenknochen und dunkel getönte Haut. Der jüngere Daniel neigte mehr zu Temperamentsausbrüchen als der ältere, ironischere Paul, dessen starke Brauen sich immer wieder spitz und mokant in die Höhe zogen.
»Verzeih …« Daniel wandte sich an Valerie. Er küßte ihre Hand. »Aber ich muß mich so aufregen. Immer legt er es darauf an, daß ich mich aufrege, der Paul! Das ist einer der Gründe, warum ihr mich so selten seht. Weil ich solchen Szenen aus dem Wege gehen will! Aber heute
mußte
ich kommen. Deine Leute vom Funk haben bei uns herumspioniert!«
»Sie haben lediglich ein paar Fragen gestellt.«
»Spionieren nenne ich das! Warum hat
mich
niemand gefragt?«
»Du lehnst Interviews doch immer ab!«
»Ja, weil sie mir zum Kotzen sind! Aber wenn ich höre, daß du vor hast, gegen das Institut loszuziehen im Radio, eine Brandrede zu halten, daß wir Kriegsmaterial – phantastisch allein der Gedanke! –, daß wir Kriegsmaterial herzustellen versuchen … dann ist das etwas anderes! Dann
gebe
ich Interviews! Als Vorstand des Instituts! Ich komme sogar zu dir, damit
du
mich interviewen kannst!«
Paul strich über Valeries Hüfte.
»Setz dich hin, Liebling. Und sei ganz ruhig. Du kennst uns beide doch. Alte Streithähne! Ich bin Journalist. Ich habe mein Berufsethos. Daniel ist Wissenschaftler. Er hat das seine. Wenn er mich überzeugt, wirklich überzeugt, daß sich seine Forschungen nicht eines Tages in einem Krieg benützen lassen, dann werde ich das auch nie behaupten! Aber ich muß
überzeugt
sein.«
»Ich sage dir doch: Es ist denkbar, theoretisch denkbar, daß man, als Ergebnisse unserer Arbeiten, einmal Mittel entwickelt, die Schädlinge bekämpfen und vernichten.«
»Fragt sich nur, was für Schädlinge«, sagte Paul.
»Bitte!« flehte Valerie. »Nicht schon wieder!«
»Was soll das heißen?« rief Daniel.
»Es wird immer Menschen geben, für die andere Menschen nichts als Schädlinge sind«, sagte Paul.
»Du meinst, daß man nach unseren Arbeiten einmal Mittel zur chemischen oder bakteriologischen Kriegführung entwickeln kann?« Daniel holte tief Luft. »Du hast ja den Verstand verloren!«
»Na, Giftgase gab es schließlich schon im letzten Krieg.«
»Aber mit dem, was wir untersuchen, kann doch kein Mensch Giftgase herstellen!« Daniel griff sich an den Kopf. Dann wühlte er in den Taschen seiner Jacke. »Ich bin ganz ruhig, Valerie, hab keine Angst. Ich werde es Paul im Detail erklären. Mein Assistent, der Friedjung, hat mir Stichworte auf einen Zettel geschrieben … Wo habe ich ihn bloß …«
Valerie war bei Nennung des Namens kurz zusammengezuckt. Sie meinte: »Ich verstehe ja nichts davon. Aber wenn Paul sagt, daß schon im letzten Krieg Giftgase eingesetzt worden sind … Die haben ja schließlich auch Chemiker entwickelt, nicht wahr? Und diese Chemiker werden am Anfang ihrer Arbeit vielleicht auch nicht geahnt haben, was einmal aus ihr entstehen soll …«
»Wirklich, Valerie, du sagst es doch selbst: Du verstehst nichts davon!« Daniel lächelte ihr zu. »Da ist ja der Zettel!« Er entfaltete einen Bogen Papier und sah Paul an. »Also hör zu. Wir begannen unsere Überlegungen bei einem weltberühmten Mann – Louis Pasteur. Du weißt doch, daß unter Seidenraupen Seuchen ausbrechen können, nicht wahr? Nun, im Jahre 1870 …«
75
»Ist das der Zettel des Herrn Friedjung?«
Manuel Aranda war aufgesprungen und hielt Daniel Steinfeld ein vergilbtes Papier hin, das er aus seiner Brieftasche geholt hatte, während Steinfeld erzählte. Manuel war schon seit langem sehr erregt. Irene hatte ihm Zeichen gemacht, den alten Mann, der bereits recht müde war, nicht zu unterbrechen. Jetzt konnte Manuel nicht länger warten. Der Bogen, den er Groll zusammen mit den Fotografien Penkovics gegeben hatte, damit der Hofrat das ganze Material im Tresor des Dr. Stein deponieren konnte, zitterte in seiner Hand. Manuel dachte: Wie gut, daß ich mir dieses Papier gestern von Stein schicken ließ. Ich hatte eine Ahnung, daß ich es brauchen würde, wenn Daniel Steinfeld eintraf.
Manuel sagte eindringlich: »Bitte! Ist das der Zettel?«
Steinfeld starrte den Bogen an.
»Ja«, sagte er heiser. »Ja, das ist er. Woher haben Sie ihn? Damals, nach meinem Gespräch mit Paul, muß ich den Zettel hier liegengelassen haben, ich erinnere mich jetzt daran, daß ich ihn nie mehr fand … Hat Valerie ihn
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