Und Jimmy ging zum Regenbogen
rannten in Hausflure. Autos und Straßenbahnen blieben stehen. Man sah keine fünf Meter weit.
»Der Kreis hat sich geschlossen«, sagte Seelenmacher. »Um die halbe Erde hat sein Weg diesen Doktor Aranda geführt – bis in die Buchhandlung Landau, zu Valerie Steinfeld. Er hatte keine Ahnung, daß sie da arbeitete. Und trotzdem. Und trotzdem! Du bist Naturwissenschaftler. Du magst mein Gerede oft nicht, besonders, wenn ich sage, daß alles vorausbestimmt ist, daß es keine Zufälle gibt …«
»Ich mag deine Art von
Erklärung
nicht«, sagte Groll, in das Unwetter starrend. »Du bist ein gläubiger Mensch. Ich versuche alles, was mit dem Glauben zusammenhängt, immer weit wegzuschieben. Mir fällt das Glauben eben zu schwer. Ich habe auch eine Theorie über den Zufall, aber die sieht anders aus als deine …«
»Ja, ich weiß. Ich glaube daran, daß es nur magische Zufälle gibt, also keine wirklichen … Du hast mir erzählt, daß dieser Friedjung Valerie Steinfeld einmal liebte …«
»Ja.«
»Und sie ihn … Wenn du willst, hast du hier das Liebespaar dieser Geschichte – ein tragisches, böses, aber dennoch das eigentliche … Im Tod berührten sich noch ihre Hände, noch im Tod … Es war eine
Notwendigkeit,
daß die beiden einander trafen, eine metaphysische Notwendigkeit, du magst das alles nicht, ja, ja … und trotzdem … ›Alles Getrennte findet sich wieder.‹ So ähnlich steht es doch bei deinem geliebten Goethe, nicht?«
Groll brummte: »Diesmal ist es nicht Goethe, sondern Hölderlin: ›Versöhnung ist mitten im Streit, und alles Getrennte findet sich wieder.‹« Sein Blick fiel auf den kleinen Rahmen am Fuß der Schreiblampe, er sah das Ginkgo-Blatt an, das da unter Glas lag.
»Ja, Ernst«, sagte Groll. »So heißt es. Das also ist der ›geheime Sinn‹ gewesen …« Der Mann, der sich selbst einmal einen ›frommen Heiden‹ genannt hatte, sprach, während draußen der Hagel prasselte und Blitze zuckten und Donner rollten, langsam: »Gottes ist der Orient, Gottes ist der Okzident. Nörd- und südliches Gelände ruhn im Frieden seiner Hände …«
Ein blendender Blitz erhellte das Zimmer. Sofort folgte der Donnerschlag. Und dann begann das Telefon zu läuten.
Groll hob ab und meldete sich.
»Hier ist Nora Hill«, sagte eine Frauenstimme, kaum verständlich, denn in der Verbindung knisterte und rauschte es.
»Küß die Hand, gnädige Frau. Was verschafft mir …«
»Ich habe keine Zeit.« Die Stimme klang hastig. »Herr Hofrat – ich weiß, Sie werden mich nie verraten –, ich muß Ihnen einen Tip geben. Es ist dringend. Ganz dringend.«
»Sprechen Sie.«
Nora Hills Stimme kam in Bruchstücken, gestört durch Geräusche in der Leitung: »… doch bei einem Anwalt in einen Tresor gelegt, nicht wahr?«
»Ja, Und?«
»Rufen Sie diesen Anwalt sofort an! Sagen Sie ihm, er soll den Tresor öffnen und nachsehen, ob das Material von Manuel Aranda noch darin liegt!«
»Was bedeutet das?«
»Keine Zeit, es zu erklären … kann ich überdies nicht …«
»Ich danke Ihnen, gnädige Frau. Ich werde sofort … hallo!«
Groll schüttelte den Hörer. Die Leitung war tot.
In einer Telefonzelle am Stadtrand stand Nora Hill, auf ihre Krücken gestützt. Georg wartete draußen im Wagen. Nora sah in das Unwetter. Ich habe getan, was ich konnte, dachte sie.
Groll, hinter seinem Schreibtisch, hatte plötzlich ein dunkelrotes Gesicht bekommen, während er hastig die Nummer der Kanzlei Dr. Stein wählte. »Was ist?« Seelenmacher sah ihn besorgt an.»Wolfgang! Reg dich nicht so auf!«
»Ich erkläre dir alles sofort … Fräulein?
Fräulein!
Dieses elende Wetter! … Ja, ich höre Sie auch kaum! Hier ist Groll. Verbinden Sie mich bitte mit Doktor Stein …« Gleich darauf hatte er den Anwalt am Apparat. Das wüste Gewitter machte die Verständigung schwer. Groll mußte schreien. Schreiend äußerte er den Wunsch, Stein möge seinen Tresor öffnen. Zwei Minuten vergingen. Dann hörte Seelenmacher seinen Freund sagen: »Verschwunden. Alles … Nein, unternehmen Sie nichts … nicht das geringste … Sie hören wieder von mir.« Er legte auf und wählte neu.
»Wolfgang!« rief der Weinhauer.
»Gleich. Es hat sich alles noch einmal gedreht«, sagte Groll. Er telefonierte jetzt mit dem Ministerialrat Hanseder von der Staatspolizei, dem er den Diebstahl der Dokumente und der Filmrolle meldete. Er bat ihn um weitgehende Vollmachten. Hanseder versprach, schnellstens zu
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