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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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weiße kleine Gebäude. Clairon besichtigte zwei von ihnen. Es gibt eine Unmenge Bedürfnisanstalten auf dem Zentralfriedhof. Die Sternbahnen der Alleen und Chausseen werden geschnitten von einem komplizierten Netz quadratisch angelegter Straßen. Große Quadrate sind in kleinere unterteilt, in die ›Gruppen‹, durch welche, wieder in rechten Winkeln zueinander, unzählige Wege laufen. Die Gruppen hatte man stets mit einem Buchstaben und einer Zahl gekennzeichnet, die Unterteilungen desgleichen.
    Ein Glück, daß ich mit Ketten fahre, dachte Clairon. Nach den katastrophalen Schneefällen der letzten Tage war es offenbar nur unter größten Anstrengungen gelungen, wenigstens die viele Kilometer langen Hauptalleen und -chausseen zu räumen. Die Nebenstraßen und alle Wege, die in den Gruppen von Abschnitt zu Abschnitt führten, versanken in halbmeterhohem Schnee. Räumpflüge hatten kleine Gebirge der weißen Bedrohung gegen die Ränder der Alleen geschoben, die kaum begehbar und schwierig befahrbar waren, denn die Streukolonnen kamen in ihrer Arbeit nicht nach.
    »Olymp ruft Nummer Eins … Olymp ruft Nummer Eins …«
    »Hier ist Nummer Eins, Olymp. Kommen Sie!«
    »Aranda hat das Restaurant verlassen und ist in das Kaffeehaus hinübergegangen. Er trinkt seinen Kaffee dort. Jetzt Zeitvergleich, bitte, Nummer Eins!«
    Clairon sah auf seine Armbanduhr.
    »13 Uhr 34.«
    »13 Uhr 34, richtig.«
    Was für ein elendes Getue, jedesmal von neuem, dachte Clairon. Gott, habe ich das alles satt! Aber was soll ich machen? 1961 war ich bei der OAS , dieser ›Terrororganisation‹, wie man sie nannte. Nun gut, sehr fein ging es nicht zu bei uns. Was ich heute kann, habe ich damals gelernt. Schließlich war es auch nicht sehr fein, wie de Gaulle mit den französischen Siedlern in Algerien umsprang. Sie erwischten mich, als wir ein Kino in die Luft sprengten (ich liebe Kinder, ich hatte keine Ahnung, daß da gerade eine Kindervorstellung lief), und sie verurteilten mich zum Tode und führten mich zum Erschießen. Dann, als ich mit verbundenen Augen an der Wand stand, kam so ein Drecksack und sagte, sie würden mich nicht erschießen, wenn ich von nun an für sie arbeitete. Ich bin kein Held, dazu bin ich nicht blöde genug. Also sagte ich ›einverstanden‹, und seither arbeite ich für sie. Diesmal in Wien.
    Die Saubande, dachte Clairon bitter. Wann werde ich sie jemals los?
Nie!
Nun ist auch meine Frau gestorben. Wenn ich nicht Janine hätte … Der Gedanke an seine kleine Tochter richtete Clairon wieder auf. So schlecht ging es ihm eigentlich gar nicht. Das Kind, das Haus, ein gutes Einkommen. Sie hatten ihn pro forma als Leiter einer französischen Importfirma in Casablanca etabliert.
    Seit Clairon auf dem Friedhof umherfuhr, waren ihm kaum zwei Dutzend Menschen und nur vier Autos begegnet. Gott sei Dank.
    Unter der weißen Last aus dem Himmel waren schwere Äste, ja ganze Bäume gebrochen. In ungeheuren Mengen lagerte der Schnee auf Hecken, Büschen, Fliedersträuchern und dem Astwerk von Buchen, Ulmen, Trauerweiden, Platanen, Ahorn- und Kastanienbäumen, hohen Fichten und Zypressen, auf allen Gräbern, allen Grabsteinen, Schmiedeeisengittern und Miniaturkapellen. Büsten, allegorische Gestalten und Steinfiguren waren zu grotesken Gebilden geworden. Eine lebensgroße Trauernde aus Sandstein, die an einem Grabrand lehnte, sah aus wie im neunten Monat, ein lockiger Knabenkopf feixte besoffen. Der Schnee war der Herr des Friedhofs, und seine Höflinge waren die Krähen. Unzählig, zu Tausenden, hockten sie dicht nebeneinander in den Kronen der Bäume, groß, plump und scheußlich. Ihr heiseres lautes Geschrei erfüllte die Luft.
    Ein Alptraum, ein Nachtmahr in Weiß, unheimlich und unwirklich, beklemmend und öde, ein schreckenerregendes Reich des Todes war der Wiener Zentralfriedhof an diesem 16. Januar. Entfernte Bäume, Wege oder Gräber sah Clairon plötzlich nicht mehr – feiner Eisnebel, der in der Luft hing, ließ sie verschwinden wie ein gespenstischer Zauberer. Dunkel und tief lagerte eine geschlossene, schneegeladene Wolkendecke über der trostlosen Erde. Das Licht war fahl. Clairon trat leicht auf das Gaspedal. Die Katholische Abteilung, die den meisten Raum einnimmt, wird links und rechts flankiert von der Neuen und der Alten Israelitischen Abteilung, deren Synagoge, im Krieg durch Bomben fast gänzlich zerstört, wiederaufgebaut worden war, wie er aus der Broschüre wußte. Östlich des katholischen Teils,

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