Und Nietzsche lachte
kenntest das Gegengift gegen den niederen Sinn von Handel und Kommerz? – Wohlan, so rede!«
Was nun geschah, ward lange nicht gesehen im Himmel. Und es gilt als gewiss, dass bis in alle Ewigkeit davon erzählt werden wird: Diotima lächelte. Ihr Lächeln durchdrang das Universum bis in seine letzte Ritze. Und dann sagte sie nur ein Wort, doch es klang zugleich in allen Sprachen: »Eros, Amor, Love, Amore, Liebe …«
Und Gott ? Gott erhob sich, Gott verneigte sich, Gott schritt die Stufen von seinem Thron hinunter zu ihr, Gott küsste sie und schüttelte den beiden Greisen die Hand. »So sei es!«, sagte er nur. Und Sokrates tanzte.
Der Rest ist rasch erzählt. Gott nahm wieder Platz auf seinem Thron und verkündete seinen Ratschluss. Zunächst wandte er sich dabei an die würdigen Weisen aus Griechenland: »Wohlan, meine Freunde, weil ihr es wart, die ihr die ewige Wahrheit herbeirieft, so wollen wir eure alten Götter in Dienst nehmen, auf dass sie den Menschen unsere Gaben bringen. Als Erstes rufe ich den Hermes. Er kennt sich aus in der Menschenwelt. Ist doch der Handel sein Geschäft. Doch soll er nur der Führer sein. Die Türen soll er drunten öffnen. Vor allem meinem guten Apollon. Seine Aufgabe als Gott der Heilkunst und der Harmonie wird es sein, die Menschen wissen zu lassen, worin der Sinn des Lebens liegt. Sodann braucht es meinen alten Freund Dionysos. Denn er allein weiß zu tanzen. Und so soll er die Menschen lehren, wie sie das Chaos in sich pflegen und ihre berauschte Seele tanzen lassen. Zuletzt soll ihnen noch die Liebste folgen, die goldene Aphrodite. Damit die Liebe und die Schönheit das Eis in der Menschen Herzen schmelzen. Denn was das Leben sinnvoll macht, das sieht der Mensch nur mit dem Herzen.« Nachdem er so gesprochen, hielt Gott inne. Er sah glücklich aus. »Die Sitzung ist beendet. Ich danke euch, ihr Denker!«, ließ er sich noch vernehmen, bevor er sich in die stille Gesellschaft der östlichen Weisen zurückzog.
Zu uns aber kamen die alten Götter und wandelten auf Erden. Was sie den Menschen bringen sollten, war der Sinneswandel.
Von der Sinnfinsternis der Gegenwart, dem Licht in einem bayrischen Gehöft und der Sokratischen Sorge um die Seele
Nicht denken ist auch keine Lösung
Man denkt ja immer, die Philosophie sei eine fruchtlose Kunst. Ein Zeitvertreib für bildungsbeflissene Bürger ohne Relevanz für das tägliche Leben – betrieben von blutarmen Akademikern, die in ihren Elfenbeintürmen zu Wolkenkuckucksheim mit fast manischer Beharrlichkeit ihren Glasperlenspielen nachgehen: wunderlichen Männern (an Frauen denkt man dabei eher selten), die ganz wie ihr antiker Ahnherr Thales von Milet dazu neigen, so in ihren Gedankenwelten entrückt zu sein, dass sie die Bodenhaftung verlieren. Von jenem Thales nämlich erzählte man schon in der Antike, er sei einst so in Betrachtung des gestirnten Himmels über ihm versunken gewesen, dass er den Brunnenschacht vor seinen Füßen nicht bemerkte und prompt hineinstürzte. Weiter erzählt die Legende, dass eine »witzige und reizende thrakische Magd« dem Vorfall beigewohnt habe und in herzhaftes Gelächter ausgebrochen sei, da sie den weisen Mann durchnässt gefunden. Und verspottet soll sie ihn haben mit den Worten, er sei wohl »begierig, die Dinge am Himmel kennenzulernen, habe aber keine Ahnung von dem, was hinter ihm sei und zu seinen Füßen liege«.
Wie dem auch sei: Seit das Lachen der thrakischen Magd erschallte, ist der weltabgewandte Philosoph zu einem festen Typus der westlichen Kulturgeschichte geworden. Und das nicht einmal zu Unrecht. Denn von Diogenes in der Tonne bis zu Heidegger in der Schwarzwaldhütte fehlte es nicht an leicht skurrilen Gestalten, in denen sich Kauzigkeit und blendende Intelligenz zu eigentümlichen Konstellationen verbanden. Für Thales allerdings traf das gar nicht zu. Im Gegenteil. Er war äußerst geschäftstüchtig, wie eine Anekdote erzählt: »Als man ihm nämlich wegen seiner Armut Vorhaltungen machte, als ob die Philosophie zu nichts nütze sei, da soll er, nachdem er aufgrund seiner astronomischen Studien bemerkt hatte, dass die Olivenernte reichlich ausfallen würde, noch im Winter mit dem wenigen Geld, das ihm zur Verfügung stand, als Handgeld sämtliche Ölpressen in Milet und Chios für einen geringen Preis gemietet haben, und dabei habe ihn niemand überboten. Als aber die Zeit der Ernte kam, und mit einem Mal und gleichzeitig viele Ölpressen verlangt wurden, da habe er
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