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Und sie wunderten sich sehr

Und sie wunderten sich sehr

Titel: Und sie wunderten sich sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina-Maria Bammel
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diesen Namen verdienen würden. Aber nicht das Maß der Dramatik war ausschlaggebend. Denn die Kraft der Zeichen in scheinbar alltäglichen Begegnungen, gehemmt oder offenherzig, verhindert oder nur erträumt, zum Leuchten zu bringen bleibt das Maß meiner Worte.

    Die großen Lichter und den ganz großen Augenglanz überlasse ich gern den technischen »Erleuchtern« – etwa der Linden vor dem Brandenburger Tor – oder den Illuminations-»Swarowskys« in den Schaufensterauslagen. Die kleinen Lichter werden einem in den Nebenstraßen bewusst, auch den Nebenstraßen der Geschichte, der eigenen Lebens- und Berufsgeschichte ohnehin.

    Auf diesen Nebenstraßen habe ich niemanden getroffen, der sich das Wundern selbst verboten hätte. Ich habe auch keinen Menschen angetroffen, der gesagt hätte: Ich schließe es aus, dass ich mich jemals wieder wundern kann. Die Möglichkeit offen halten, sich wieder wundern zu können, |151| über sich selbst, einen anderen Menschen, den Neubeginn einer Beziehung, das Auftauen eines alten, schon längst zur Seite gelegten Gedankens, ich kann mir nichts vorstellen, was realistischer wäre. Diese Art von Realismus hält es auch aus, dass wir uns mit Weihnachten selbst in seiner kitschigsten Form auch die Sehnsucht nach mehr als einem gelungenen Abend eingestehen. Ich nenne es die Sehnsucht nach einer Verheißung, die schon im Hören zu spüren ist und mehr als ein tiefes Glücksgefühl umfängt. Es kommt darauf an, ob ich als Zaungast höre oder als tatsächlich Angesprochene:
    »Wer?«
    »Ja, ihr! Euch ist heute der Heiland geboren!« So werden die Hirten erwidert haben …
    »Woran ihr den Heiland erkennen werdet? Was für eine Frage: An den Äußerlichkeiten werdet ihr ihn nicht erkennen, liebe Bewohner von Bethlehem und Berlin. Es ist ein Wickelkind! Es kommt alles darauf an, ob euer Auge durch die Äußerlichkeiten hindurch das geschehene Wunder sehen kann. Dieses Wunder erzählt nämlich ein Geheimnis, das keiner für sich behalten muss: Gott ist in der Welt und steht ihr nicht neutral gegenüber. Dieses Geheimnis würde an und für sich auch ohne Wunder wirken. Aber so ist nun mal Gottes Entscheidung … Woher wir das wissen? Ist das so wichtig? Wir müssen weiter …«

    Die einen sind von solchen Sätzen brüskiert, die anderen irritiert. Die Dritten viel zu neugierig, um einfach weiterzumachen wie bisher. Sie alle sicherlich nicht bezaubert, aber doch verwundert. »Und sie wunderten sich sehr.« Damit trifft unser Informant Lukas ins Schwarze.

    Für diesen Volltreffer des Lukas hatte ich mit zehn Jahren sicherlich noch kein Gespür, aber diese eine Frage musste ich doch mal loswerden: »Worüber haben Sie sich schon mal gewundert?« Ich war so naiv, diese Frage in der Fünf-Minuten-Pause mitten im Schulbetrieb an die Klassenlehrerin zu |152| richten. Frau Bulla, wahrscheinlich immer schon ein klein wenig verbittert über ihren Namen, den sie schon ein Leben lang mit sich herumzutragen hatte, Frau Bulla jedenfalls stützte die knochig beringten, schon von ersten Altersflecken gezeichneten Lehrerinnenhände auf die Tischplatte, schaute selbstbewusst über ihre Lesebrille am Goldkettchen hinweg – so etwas gab es tatsächlich noch vor 30 Jahren im Osten Deutschlands – und eiste jeden Mut der Schülerin, die da vor ihr stand, schlagartig ein. Das alles geschah Sekunden, bevor sich ihr spöttisch-spitzer Damenmund öffnete. Sie würde jetzt mal ein paar Takte loswerden über das, was Wunder sind oder, besser gesagt, zu sein vorgeben. Doch zuvor … so blitzte sie mich an:
    »Fräuleinchen, ich muss schon sagen …. Die Fragen stelle ich!«
    Daran hatte das »Fräuleinchen« ja nie den geringsten Zweifel.
    Aber die Antwort stutzte mich doch noch etwas kleiner, als ich es im Schulalltag der 70er Jahre ohnehin schon war: »Wundern muss ich mich doch immer wieder über dich, du dumme Trine.«
    Denn: Alles, was nicht in die Grundschul-Denkraster der damaligen Polytechnischen Oberschule im Allgemeinen und in das Denkraster der Frau Bulla von der 1c im Besonderen passte, erhielt das Etikett des Dümmlichen. Der Religiöse war der Dumme, selbst wenn er auch nur ganz von fern einen gewissen Sinn für die Fragen hatte, die nicht an den Fakten des Alltags kleben blieben.
    Diese Anti-Haltung hat mich Jahre der Schulbildung begleitet – mal als verstecktes, mal als offenes Klischee, mal als Ressentiment oder als Fassade der betonten Langeweile gegenüber »Besinnlichem«.
    »Besinnliches

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