Der Sodomit
Prolog
Zwei Fliegen umkreisten den Stumpf. Mihály scheuchte sie fort. Einen Madenbefall im frisch amputierten Bein hatte der Mann nicht verdient. An seinem Kinn spross noch Flaum. Weit entfernt davon, ein Bart zu sein. Er schien noch jünger als Dávid, der ihm eben mit zitternden Fingern frische Verbände reichte.
Dávid. Sein Kleiner. Er folgte ihm seit drei Jahren als Geselle und half ihm dabei, Vlads Männer nach Kämpfen wie diesem zusammenzuflicken.
Im Normalfall gewann Vlad III., Woiwode der Walachei und erklärter Gegner des Osmanischen Reiches seine Schlachten. Nur diesmal nicht. Weil es keine Schlacht, sondern eine Flucht war. Vor seinem Halbbruder Radu, der Vlads Volk gegen ihren Herrscher aufgewiegelt hatte. Nun ja, niemand suchte sich seine Verwandtschaft aus und der Woiwode hatte diesbezüglich tief in die Scheiße gegriffen. Als Kind vom eigenen Vater als Geisel dem osmanischen Herrscher überlassen zu werden, war kein Honigschlecken. Auf Vlads Rücken reihten sich die Narben diverser Peitschenhiebe. Schlug das Wetter um, spürte er jeden einzelnen und rief Mihály und sein Arsenal diverser Wundsalben zu sich. Sie brachten nichts, doch das sagte er dem Herrscher nicht. Was den Schmerz auf Vlads Rücken linderte, waren die gleichmäßigen und festen Berührungen, mit denen er die Salben einmassierte. Ebenso gut hätte er dem Woiwoden reines Schafswollfett verabreichen können, würde es nicht so penetrant riechen.
Dávid spülte den Stumpf sauber und tupfte ihn sorgfältig ab. Das Würgen dabei versuchte er erst gar nicht zu unterdrücken. Brauchte er auch nicht. Mihály kannte die Schwächen seines Geliebten und verzieh ihm mehr, als sein Vater es jemals bei ihm getan hätte. Bei Ádám Szábo in die Lehre zu gehen, war auch für Mihály eine Herausforderung gewesen.
Seit er fünf war, trieb sich Mihály in Lazarettzelten herum. Seinem Vater war er schon früh beim Därmezusammennähen und Knochenrichten eine Hilfe gewesen.
Flinke Finger, die wissen, dass sie kein Schwert schmieden oder Stein schneiden, sondern die Krone der Schöpfung heilen sollen.
Bei diesen Worten hatte ihm sein Vater das Kinn angehoben und für einen Augenblick diese schreckliche und grausame Welt mit seinem Lächeln verzaubert, bevor er ihm mit vor Blut verkrusteter Hand eine Ohrfeige verpasste, weil er ihm das falsche Besteck angereicht hatte.
Wenn es ein Paradies gab, saß sein Vater jetzt zwischen Engeln und Blüten. Geschissen auf die Meinung seiner Richter, Ketzer gehörten ins Fegefeuer.
„Wenigstens schreit er nicht mehr.“ Dávids Blick zu ihrem Patienten troff vor Mitgefühl. „Ich habe fünf Kreuze geschlagen, als er endlich ohnmächtig wurde.“
„Du musst lernen, alles Störende während der Behandlung auszublenden.“ Wie oft predigte er seinem Kleinen diesen schlichten Trick? „Konzentriere dich nur darauf, was deine Hände machen.“
Über das blasse, doch sonst wunderschöne Jungmännergesicht huschte ein Lächeln. „Wie bei der Liebe mit dir?“ Er sprach leise, doch dass sie jemand aus dem Lazarettzelt hörte, war unwahrscheinlich. Wer nicht schlief, starb oder wimmerte.
„Wenn du mich in dich reinlässt, was leider zu selten geschieht, kann ich mich sogar auf zwei Orte gleichzeitig konzentrieren. Meinen Schwanz in dir und meine Hand an deiner Härte. Ich fühle jedes kleine Zucken, das von dir ausgeht, und weiß ganz genau, wann es auf meiner Faust heiß und nass wird.“
Dávid. Der sanfte Mann mit den großen, braunen Augen, der viel lieber dichtete oder schwermütige, vor unerfüllter Liebe tropfende Lieder sang, als anderen Menschen wehzutun.
Mihály beugte sich über den halb verbundenen Stumpf zu seinem Kleinen und küsste ihn auf die weichen Lippen. Sie öffneten sich sofort. Dávid wollte mit Liebe gefüttert werden. Über seinen süßen Mund, über seinen noch süßeren Arsch. Seit Dávid ihm eben diese Liebe in einer stürmischen Novembernacht vor Jahren gestanden hatte, das Herz übervoll mit Heimweh, waren sie ein Paar.
Tag für Tag verbargen sie diesen Umstand vor jedem anderen Menschen. Vlad sträubte sich gegen viele Zwänge und boykottierte einige gesellschaftliche Regeln, doch zum Thema Sodomie wollte Mihály ihn nicht herausfordern. Dazu war das Leben an Dávids Seite zu schön, wenn sie nicht gerade bis zu den Knöcheln in stinkendem Blut standen.
„Wann erreichen wir Visegrád?“, nuschelte Dávid noch an Mihálys Lippen. „Mir ist dringend danach, mich hinter
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