Und wir scheitern immer schoener
Damit wollte ich die Nadel desinfizieren, so gut das eben hier möglich war. Paula legte sich ins Schlafzimmer auf ihre Matratze und zog ihre Hose aus. Als das Wasser schließlich kochte und ich die Nadel mehrfach durch die blubbernde Flüssigkeit gezogen hatte, kam ich zu ihr. Sie lag da, mit gespreizten Beinen, zitternd und Selbstsicherheit heuchelnd. Ich beugte mich zu ihr runter. Kniete mich neben sie und sah sie an. In meinen Augen tausend Fragezeichen, doch sie nickte und gab damit den Handlungszwang an mich weiter.
Die Nadel war noch lauwarm. Ich steckte sie ihr langsam in die Vagina und hielt dabei eine Hand auf ihrem Bauch. Da war es drin, das Zellending. Das schleimige, tranige, ungenaue Ding. Ein Basismensch. Ungeboren, ungewollt und trotzdem so was von existent.
Millimeter für Millimeter verschwand die warme Nadel in Paulas Unterleib. Sie zuckte, und ich versuchte sie mit der Hand auf dem Bauch zu beruhigen, indem ich sie kreisen ließ. Sie begann leise zu wimmern und zu weinen, und die Nadel ging ihren Weg in sie hinein. Dann plötzlich ein Widerstand. Ich hatte ihn angestochen, den Embryo.
Sekunden später tropfte zäher, dunkelroter Schleim aus Paulas Mitte. Mir kamen die Tränen, wenige, aber intensiv geweinte. Die Nadel führende Hand begann zu zittern. Paula huschte ein Lächeln übers Gesicht. Durch ihre Tränenfront war ein erleichterter Gesichtsausdruck zu erkennen, als sie erkannte, dass der Zellenschleim auf ihr ranziges Bettlaken rann. Die gallertartige Masse floss aus ihr heraus. Geburt verhindert. Das sollte ein Mensch werden ...
Vorsichtig entfernte ich die Nadel aus Paulas Genitalien. Wieder nur millimeterweise. Es blutete weiter. Ich holte Handtücher, um die embryonalen Reste damit aufzufangen. Blut sickerte tief ins Laken. Paula war schwach, aber sie lächelte.
Ich holte noch eine Decke und warf sie über Paulas halb nackten, frierenden Körper, sodass nur noch ihr kurzhaariger Schädel sichtbar war. Sie drehte sich auf die Seite. Ich zog mich auch aus und legte mich neben sie. Sie schlief ziemlich schnell ein, und ich legte einen Arm um sie, der ihr meine Liebe versichern sollte. Ihr irgendwas geben, genommen hatte ich schon genug.
In der Nacht bekam Paula Fieber. Sehr hohes Fieber. Ich bekam davon nichts mit. Ich schlief einen traumlosen Schlaf, umhüllt von fieser Finsternis.
Am nächsten Morgen erwachte ich neben Paulas Leiche. Sie war noch warm, aber tot. Gestorben in der Nacht der nachträglichen Empfängnisverhütung. Ich drehte sie um und bemerkte ihre Leblosigkeit. Schockiert stand ich auf. Mein Herzschlag im Kopf. Panik. Paula. Sie war weg. Ihr Blick leer. Kaum noch Farbe. Tot. Tot. Unendlich tot, die Paula. Panisch zog ich mich an und verließ die Wohnung.
Und jetzt sitze ich in meiner Küche und der Moment, in dem ich mein Leben in Richtung Tod schicke, rückt sekündlich näher. Vor mir liegt die kleine Pistole auf dem Tisch, neben der Kaffeetasse, aus der Paula auch schon getrunken hat. Ich habe zwei Menschenleben auf dem Gewissen. Habe meine Liebe und mein entstehendes Kind getötet. Ich war es und auch ich habe nichts anderes verdient als den Tod.
Die Entscheidung ist gefallen. Exekutionskommando nicht aufzuhalten. Innerer Amok und doch keine Angst. Ich halte mir die Knarre an den Kopf, lade sie durch und suche einen Punkt, an dem ich ein Loch reinmachen werde, damit mein Leben aus mir rauslaufen kann. Die waffenführende Hand ist unsicher, wo sie die Pistole positionieren soll, und zittert.
Ich entscheide mich dann doch für eine Stelle. Schläfenkontakt. Metall trifft Haut. Abzug. Ein Geschoss gewährt sich Schädel splitternd Einlass in mein Innerstes. Ich bemerke, wie die Kugel auf der anderen Seite, ebenfalls Knochen durchdringend, wieder austritt. Ich habe mich entschlossen. Ich habe mich erschossen ...
... und bemerke, wie ich vom Stuhl falle. Ich spüre Blut aus meinem Kopf laufen. Es wird dunkel, aber mein Bewusstsein erlischt nicht. Ich pralle auf den Küchenboden und empfinde sogar noch Schmerz. Hinter den Augen ist der Schmerz und überall im Kopf. Auf dem Weg in den Himmel. Süße Ohnmacht befällt mich.
Als ich wach werde, spüre ich eine Hand an meiner Stirn. Die Hand Gottes, die mich zu besänftigen versucht? Ich hoffe auf einen Himmel voller Güte und auf Verzeihung meiner Taten. Dann höre ich die Stimme meiner Mutter. Wie kommt die denn hierher? Bin ich gar nicht tot? Ich fühle mich
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