Das siebte Kreuz
Dieses Buch, das kurz vor dem Zweiten Weltkrieg entstand, machte Anna Seghers weltberühmt. Es wurde ein Buch, das in einer Zeit für Deutschland sprach, als sonst fast nur mit Abscheu von diesem Land gesprochen wurde. »Wir fühlten alle«, heißt es am Schluß, »wie tief und furchtbar die äußerten Mächte in den Menschen hineingreifen können, bis in sein Innerstes, aber wir fühlten auch, daß es im Innersten etwas gab, das unangreifbar war und unverletzbar…«
»Heute erscheint dieser Roman uns >klassisch<. Wir sehen, welches Maß an Voraussage in ihm steckt, unter welchen Schwierigkeiten errungen. Nicht zuletzt hat er uns das Bild jener Jahre mitgeformt. Erst allmählich nahmen wir die Welt der Dichterin in uns auf. Als letztes vielleicht spürt man das besondere, klare Licht, das aus diesem Kunstwerk kommt, so tragisch einzelne seiner Szenen, so bitter der Ausgang mancher Handlung: Das Licht eines nicht leicht erworbenen, nicht oberflächlichen und billigen Glaubens an dieses Volk, das mancher in jenen Jahren glaubte aufgeben zu müssen, das die Schriftstellerin niemals aufgab, weil sie es besser kannte. Das hat sie befähigt, sieben Kreuze zu diesem Symbol zu erheben. Das Licht, von dem ich sprach, kommt aus der Idee, die die Handlung trägt und durchleuchtet. Sie tritt manchmal direkt hervor – wie in der großen Szene des Verhörs des Wallau; meist zieht sie sich hinter die Handlung zurück. Sie lebt auf in den Häftlingen von Westhofen, als ihnen klar wird: Heisler ist entkommen: >Ein kleiner Triumph, gewiß, gemessen an unserer Ohnmacht, an unseren Sträflingskleidern. Und doch ein Triumph, der einen die eigene Kraft plötzlich fühlen ließ nach wer weiß wie langer Zeit, jene Kraft, die lange genug taxiert worden war, sogar von uns selbst, als sei sie bloß eine der vielen gewöhnlichen Kräfte der Erde, die man nach Maßen und Zahlen abtaxiert, wo sie doch die einzige Kraft ist, die plötzlich ins Maßlose wachsen kann, ins Unberechenbare.<
Dies wurde geschrieben mit dem festen, gut gegründeten Vertrauen, daß es nicht vergeblich sein würde. Denn der Stoff, aus dem dieses Buch gemacht ist, ist dauerhaft und unzerstörbar wie weniges, was es auf der Welt gibt. Er heißt: Gerechtigkeit.«
Christa Wolf
Anna Seghers, geboren 1900 in Mainz, gestorben 1983 in Ost-Berlin, wo sie seit der Rückkehr aus dem Exil im Jahre 1947 lebte. Nach Erscheinen ihres ersten Buches, »Aufstand der Fischer von St. Barbara«, 1928 mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet. 1933 mit ihrem Mann und zwei Kindern Emigration nach Paris. Nach der Besetzung Frankreichs 1941 Flucht über Marseille nach Mexiko. Mit dem zuerst in den USA und Mexiko veröffentlichten Roman »Das siebte Kreuz« wurde Anna Seghers weltberühmt. 1947 erhielt sie den Georg Büchner-Preis.
Dieses Buch ist den toten und lebenden
Antifaschisten Deutschlands gewidmet.
Anna Seghers
Personenverzeichnis
Georg Heisler – geflüchtet aus dem Konzentrationslager Westhofen
Wallau
Beutler
Pelzer
Belloni
Füllgrabe
Aldinger – ebenfalls geflüchtet
Fahrenberg – Lagerkommandant von Westhofen
Bunsen – Leutnant in Westhofen
Zillich – Scharführer in Westhofen
Fischer
Overkamp – Polizeikommissare
Ernst – ein Schäfer
Franz Marnet – Georgs früherer Freund, Arbeiter in den Höchster Farbwerken
Leni – Georgs frühere Freundin
Elli – Georgs Frau
Herr Mettenheimer – ihr Vater
Hermann – ein Freund von Franz, arbeitet in den Griesheimer Eisenbahnwerkstätten
Else – seine Frau
Fritz Helwig – Gärtnerlehrling
Dr. Löwenstein – ein jüdischer Arzt
Madame Marelli – Schneiderin für Artistenkostüme
Liesel Röder
Paul Röder – Jugendfreunde von Georg
Katharina Grabber – Röders Tante, Eigentümerin einer Garage
Fiedler – Arbeitskollege von Röder
Grete – seine Frau
Dr. Kreß
Frau Kreß
Reinhardt – Fiedlers Freund
Eine Kellnerin
Ein holländischer Schiffer, der allerlei riskiert
Erstes Kapitel
Vielleicht sind in unserem Land noch nie so merkwürdige Bäume gefällt worden wie die sieben Platanen auf der Schmalseite der Baracke III. Ihre Kronen waren schon früher gekuppt worden aus einem Anlaß, den man später erfahren wird. In Schulterhöhe waren gegen die Stämme Querbretter genagelt, so daß die Platanen von weitem sieben Kreuzen glichen.
Der neue Lagerkommandant, er hieß
Weitere Kostenlose Bücher