Undines Rache
ich lag wie auf dem Präsentierteller, aber niemand feuerte auf mich.
Für mich war es ein Rätsel, das sich allerdings rasch auflöste, als ich den Kopf zur Seite drehte und hinüberschaute, wo sich das große Boot befand.
Es lag an derselben Stelle und dümpelte schwerfällig auf den Wellen, doch es hatte sich etwas anderes getan. Vom großen Boot aus löste sich ein schmalerer Schatten, der über das Wasser hinwegglitt und Kurs auf den Lichtschein nahm.
Ich nahm mir die Zeit und trat ans Wasser. Dabei brauchte ich nicht mehr in das grelle Licht zu schauen, so daß es mir gelang, den Schatten zu identifizieren.
Beinahe hätte ich aufgelacht, denn es war das Beiboot, in dem ich mich so lange versteckt hatte. Die Freunde des Wassers hatten es in Rekordzeit auf den See geschafft und waren selbst eingestiegen. Sie saßen dicht gedrängt, elf Menschen fanden nur schwer darin Platz, und das Boot war tief eingesunken. Ein etwas höherer Wellengang hätte es rasch kentern lassen.
Am Bug kniete eine Gestalt. Es war Justus Fontain. Mich erinnerte er in diesem Augenblick an einen Sklaventreiber auf einer der Galeeren. Nur schlug er keine Trommel, sondern bewegte seine Arme auf und ab wie Dreschflegel, ohne daß die Fäuste jedoch einen Gegenstand trafen. Er dirigierte trotzdem, er hatte auch einen Kurs angegeben, den die Ruderer unbedingt einhalten mußten.
Ihr Ziel war Undine!
Waren sie denn wahnsinnig geworden? Kannten sie die Kraft dieser Wasserkönigin nicht?
Wahrscheinlich doch, aber sie hatten ihre spezielle Nahrung zu sich genommen und spürten nur, wie sie von den Kräften der Welt Aibon durchtost wurden.
Darauf verließen sie sich und dachten wahrscheinlich, göttergleich zu sein.
Da ich ihr Ziel inzwischen kannte, beschloß ich, vor ihnen dort zu sein. Noch von den Nixen unterstützt, schwamm ich auf der Oberfläche, drehte mich, streckte meinen Körper und versuchte, mit schnellen und wilden Kraulbewegungen das neue Ziel so rasch wie möglich zu erreichen. Ich wollte vor ihnen bei Undine sein, obwohl sie jetzt schneller ruderten, angetrieben von Justus Fontain, dessen Schreie über das Wasser hallten und auch meine Ohren erreichten.
Ich bewegte Arme und Beine wie ein Automat. Wasser umspritzte mich, verwandelte sich im Licht zu glitzernden Diamanten, die mich umwirbelten, und ich war froh, unter mir die stützenden Hände der kleinen Nixen zu spüren, die mir das Schwimmen doch sehr erleichterten.
Manchmal tauchte ich auch unter, was nicht tragisch war, denn sofort danach schaffte man mich wieder an die Oberfläche, und die Wellen trugen mich weiter.
Ich schluckte Wasser. Es schmeckte wunderbar frisch. Daß hier die Leichenteile zweier Männer herumschwammen, daran wollte ich nicht denken, zudem kriegte ich sie nicht zu Gesicht.
Aber ich näherte mich dem Zentrum. Wenn ich den Kopf etwas anhob, blendete mich auch das Licht. Es spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, ich konnte nicht mal sehen, wo ich mich befand, glaubte aber, die Stimme meines Freundes Bill zu hören, die sehr weit entfernt aufgeklungen war. Er hatte meinen Namen gerufen. Ich tauchte unter.
Zuvor hatte ich noch einmal tief Luft geholt, dann glitt ich wie ein langer Fisch in das Glas hinein. Ja, es kam mir vor wie Glas. Das Wasser umgab mich wie ein starres Gefängnis, und bei jedem Schwimmstoß schien eine Glaswand vor mir zurückzuweichen, um einer anderen den nötigen Platz zu schaffen. Da war niemand, der mich aufhielt, ich konnte unangefochten in diese andere, sogar herrliche Welt hineingleiten.
Die Augen hielt ich weit geöffnet. Ich war Undine zum erstenmal sehr, sehr nahe gekommen.
So nahe, daß ich sie in all ihren Einzelheiten erkannte, und es gab zwischen meinen Augen und ihr nichts, was uns trennte. Ich schwamm auf ihren Körper zu. Das Gesicht schimmerte dicht vor mir, vergrößert durch die Brechung des Wassers. Ich bewegte mich innerhalb eines Lichtfilms, der von Undine selbst ausging.
Ein geheimnisvolles grünes Licht, dessen Quelle allein in ihren Augen lag. Für mich war es wie ein Willkommensgruß, und sie legte den Kopf noch weiter zurück, öffnete den Mund, als wollte sie mir ein Lachen entgegenschicken.
Das Wasser trieb mich an sie heran. Zum erstenmal konnte ich sie berühren, und wahrscheinlich war ich der erste Mensch, der dies tat. Es fiel mit schwer, den Mund nicht zu öffnen, mein Körper schrie nach Luft, aber ich wollte diese geheimnisvolle Königin auch spüren, und meine Hände glitten über
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