Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
waren etwa acht Stunden. Also gar nicht lange.»
«Wo ist Tucker?», frage ich sofort. «Geht es ihm gut?»
In Christians Lächeln liegt ein Ausdruck von Verlust und Resignation.
«Es geht ihm gut. Er ist unten im Zimmer deiner Mutter. Er hat auch nach dir gefragt.»
«Was ist passiert? Am See, meine ich.»
«Du hast ihn geheilt», antwortet Christian. «Du hast ihn geheilt, dann bist du ohnmächtig geworden, hast sogar selbst ein paar Sekunden aufgehört zu atmen, und dann hat Jeffrey ihn ein paar Mal auf die Brust geschlagen, ihm ein paar Hiebe versetzt, über die sie sicher beide nie mehr reden wollen, und er kam wieder zu sich. Er hat gehustet, ein paar Liter Wasser ausgespuckt, aber er kam wieder zu sich.» Christian sieht mir in die Augen. «Du hast ihn gerettet.»
«Oh.»
«Ja», sagt er grinsend. «Du bist ein ziemlicher Streber. Erst bringst du uns aus der Hölle raus. Dann besiegst du den übelsten Wächter von allen, und dann belebst du einen Toten wieder. Bist du jetzt fertig? Denn ganz im Ernst, ich glaube kaum, dass ich noch mehr Aufregung ertrage.»
Ich schaue weg, presse die Lippen zusammen, um nicht lachen zu müssen. «Ich denke schon.» Dann erzähle ich ihm von Uriels Besuch.
«Wieso Uriel?», fragt Christian, als ich alles erzählt habe. «Wieso wurde er geschickt?»
«Ich glaube, er ist mein Großvater», sage ich gedehnt. «Gesagt hat er es mir nicht, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass wir zur selben Familie gehören.»
«Der Vater deiner Mom?»
«Ja.» Ich berichte, was Uriel über Asael und Samjeeza gesagt hat, woraufhin Christian gleichzeitig erleichtert und beunruhigt wirkt. «Wir können also wieder zurück nach Stanford», sage ich. «Eine Weile können wir ein normales Leben führen. Kein Engelblut-Schutzprogramm. Gut, oder?»
Er beißt sich auf die Lippen. «Ich denke, ich werde eine Auszeit von der Uni nehmen.»
«Wieso?», frage ich.
Er streicht sich das Haar aus dem Gesicht und wirkt ein bisschen verlegen. «Ich glaube, ich bin aus den falschen Gründen nach Stanford gegangen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich dorthin gehöre.»
Er will nicht in meiner Nähe sein, so verstehe ich seine Antwort.
«Du machst dich also aus dem Staub.»
«Ich reise vielleicht ein bisschen mit Angela und Web herum, suche mir einen Ort, an dem ich eine Weile unauffällig leben kann. Angela braucht jetzt Ruhe.»
«Wieso hast du mir nicht erzählt, dass sie deine Schwester ist?», frage ich.
Er zuckt mit den Schultern. «Ich habe mich erst noch mit der Idee anfreunden müssen. In ihrem Tagebuch habe ich gelesen, dass ihr Vater ein Sammler ist, so hat sie ihn jedenfalls genannt, und dann habe ich eins und eins zusammengezählt. Aber wirklich bewusst ist es mir erst geworden, als …»
Als er Asael von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
«Dann ist Web also dein Neffe», sage ich.
Er nickt und wirkt auf einmal glücklich. «Ja. Das ist er.»
Sie sind eine Familie. Ich spüre ein kurzes Aufblitzen von etwas wie Neid, vermischt mit einem Gefühl von Verlust. Christian und Web und ich werden wohl nicht mehr viel Zeit miteinander verbringen können. Aber das ist nur gut so. Ich stelle sie mir vor, wie sie an einem menschenleeren Strand durch den Sand spazieren, wie an dem Ort, an dem Dad uns trainiert hat, und wie Web den Sand zwischen seinen kleinen dicken Fingerchen hindurchrieseln lässt und über die Brandung lacht.
«Ich habe den Strand immer geliebt», sagt Christian.
«Und was ist mit uns?», frage ich.
«Ich bin hier, um mich zu verabschieden.» Er sieht meinen gequälten Gesichtsausdruck. «Mach dir keine Sorgen. Wir bleiben in Kontakt.»
Er steht auf. Er lächelt, als wäre alles ganz super in Ordnung, aber ich spüre, dass es ihn innerlich umbringt. Mich zu verlassen läuft all seinen Instinkten zuwider, allem, was sein Herz ihm sagt.
«Ich habe das, was ich in der Hölle gesagt habe, wirklich gemeint», sagt er. «Du bist mein Glanzschwert, weißt du das? Meine Wahrheit.»
«Christian …»
Er hebt die Hand, als wolle er sagen: Lass mich ausreden . «Ich habe den Ausdruck auf deinem Gesicht gesehen, als er starb. Ich habe gesehen, was in deinem Herzen vorging, und das ist die Realität. Die ganze Zeit habe ich mir eingeredet, dass es nur eine vorübergehende Verliebtheit wäre und du schon darüber hinwegkommen würdest. Dass du dann frei wärst und mit mir zusammen sein könntest. Aber es ist nicht vorüber, du bist noch nicht so weit, das zu akzeptieren,
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