Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte
bronzener Türklopfer, wobei ich mich nicht entscheiden konnte, ob er eine Faust oder eine Rose darstellen sollte.
Wir traten ein und quetschten uns in den kurzen Flur, wo wir unsere Schuhe auszogen und ordentlich aufreihten. Chaleh Laleh zeigte auf eine Tür auf der rechten Seite des Flurs: »Hier ist die Toilette. Da könnt ihr euch den Staub der Straße von den Händen waschen, bevor wir essen.«
Dann folgten wir ihr in einen Raum, den sie uns als das Wohnzimmer vorstellte. Mir fielen sofort seine strahlend weißen Wände auf. Den Boden des Wohnzimmers bedeckte ein ebenfalls heller, aber rauer Teppichboden. Auf der rechten Seite erhob sich ein Bücherregal voll mit bunten Buchrücken. Auf den ersten Blick waren viele persische Titel zu sehen, aber eine Reihe enthielt nur ausländische Bücher. Weiter hinten in der Ecke stand auf einem Holztisch ein altes Fernsehgerät. Hinten links machte der Raum einen Knick. Dort gruppierten sich zwei erdfarbene Ledersofas um einen flachen Glastisch. Unter ihnen lag ein roter Teppich mit einem Muster aus zierlichen Motiven, der im sonst hellen Raum wie ein dicker, lebendiger Farbklecks wirkte. Fasziniert starrte ich auf sein Muster, bis ich hinter mir Chaleh Lalehs Stimme hörte.
»Da drüben, rechts vom Bücherregal, geht es in die Küche und links davon ist das Schlafzimmer von mir und Amu Haschem. Asisanam , lasst uns jetzt essen.«
» Chaleh jan , wo ist Amu Haschem?«, fragte Milad, der neben ihr vor dem Bücherregal stand. Milad war zwei Köpfe kleiner als sie und musste hochschauen. In solchen Momenten erinnerte er mich an ein Kätzchen, das mit weit geöffneten Augen nach Essen miaute. Niemand konnte diesem Blick widerstehen.
» Asisam , Amu arbeitet noch. Er kommt erst spät nach Hause.« Sie streichelte sanft Milads Wange, als wollte sie sich dafür entschuldigen.
Ich sah meine Brüder in die Küche gehen und wollte ihnen folgen. Doch als ich beim Bücherregal angekommen war, bemerkte ich, dass Madar und Chaleh Laleh ganz in der Nähe vor der einzigen Tür standen, über die Chaleh kein Wort verloren hatte. Außerdem unterhielten sie sich wieder ganz leise und machten ernste Gesichter. Ich verlangsamte meinen Schritt, wandte mich dem Regal zu und gab vor, an den vielen Büchern interessiert zu sein.
Zufällig entdeckte ich Golestan von Sa’di und griff es heraus. Unser Nachname, Sadinam, war sozusagen eine Hommage an diesen großen persischen Dichter des dreizehnten Jahrhunderts. Ich hatte eigentlich nichts von ihm gelesen, aber schlug selbstbewusst den kunstvoll bedruckten, ledernen Einband auf und starrte auf eine beliebige Seite. Doch in Wirklichkeit konzentrierte ich mich nur auf mein Gehör und versuchte, ein paar Worte des Gesprächs hinter mir zu erhaschen.
»Und, wie geht es ihr?«, fragte Chaleh vorsichtig.
»Ich weiß es nicht. Niemand weiß es.«
»Habt ihr eine Vermutung, wo sie ist?«
»Nein. Wir hoffen, dass zumindest die Eltern benachrichtigt werden.«
»Glaubst du, sie machen jetzt ernst?«
»Wann tun sie das nicht?« Madar seufzte und für einige Sekunden wurde es völlig still.
Ich wollte nicht auffallen und blätterte eine Seite weiter. Im selben Moment bereute ich es schon, denn das Papier schien so laut zu rascheln, dass sich gleich alle Augen auf mich richten würden. Ich erstarrte und wartete darauf, meinen Namen zu hören.
Beim ersten Laut zuckte ich zusammen, beruhigte mich aber schnell, als ich merkte, dass er nicht mir galt. »Und was glaubst du, wie lange ihr hierbleiben müsst?«
Madar zögerte einen Moment, antwortete dann leise: »Ich … ich weiß es nicht.«
»Mach dir keine Sorgen! Ihr könnt euch hier wie zu Hause fühlen. Haschem und ich freuen uns sehr, dass wir helfen können. Ich habe auch schon das Zimmer für euch vorbereitet.«
»Danke. Ich muss es nur noch den Kindern beibringen. Sie wissen noch von nichts.«
Mein Herz raste vor Aufregung. Das ergab doch alles keinen Sinn! Als ich dann hörte, wie die Türklinke des geheimnisvollen Zimmers heruntergedrückt wurde, platzte es aus mir heraus: »Ich will nicht hierbleiben! Ich will nach Hause!« Ruckartig drehte ich mich um und wollte meinen Protest fortsetzen, aber als ich Madars blasses Gesicht sah, verstummte ich. Ich lief zu ihr, umarmte fest ihre Taille und presste mein Gesicht gegen ihre Brust.
»Was ist los?«, hörte ich kurz darauf Masouds zitternde Stimme hinter mir fragen.
Madar breitete ihre Arme aus. Milad und Masoud kannten dieses Zeichen.
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