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Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte

Titel: Unerwünscht: Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mojtaba Milad; Sadinam Masoud; Sadinam Sadinam
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das bloß angestellt?«
    »Na ja, wenn man uns nur lässt, haben wir doch was drauf«, antwortete ich mit gespielter Überheblichkeit.
    »Ich fasse es einfach nicht: Unsere Ex-Asylbewerber!«, sagte Timo. Wenn ich das richtig sehe, kann ich demnächst zu Milad gehen, wenn ich einen Hacker brauche, Masoud wird mein Draht zum Weltgeschehen und bei unserem zukünftigen Bankier, Mojtaba Sadinam, hole ich mir einen Termin, wenn ich einen Kredit brauche.«
    »Bleib mal locker«, versuchte Mojtaba ihn zu bremsen. »Ich studiere nur dort. Zunächst will ich ein paar Dinge verstehen. Was ich danach mache, ist eine andere Sache. Außerdem brauchst du keinen Termin zu machen, weil wir uns sowieso ständig sehen werden. Wir müssen schließlich mindestens alle zwei Wochen proben. Unser Durchbruch als Rockstars steht ja auch noch bevor. Schon vergessen?«
    »Hast recht, du Held«, sagte Timo und klopfte Mojtaba auf die Schulter. »Bevor ihr abhaut, hauen wir gemeinsam ab und machen unsere erste Europatour.« Damit meinte er den Bandaustausch mit einem schwedischen Jugendzentrum, der noch vor Unibeginn anstand. Endlich ging unser Traum in Erfüllung und wir konnten zusammen in den Norden reisen. Wir würden eine Woche lang nichts anderes tun als zu proben, mit schwedischen Bands jammen und einige Male auftreten.
    Im Festsaal quietschte ein Mikrofon. Die Veranstaltung ging los und wir mussten zu unseren Plätzen. Für die Abiturienten waren die vordersten Stuhlreihen reserviert.
    Nach Begrüßungsworten und Glückwünschen von diversen Honoratioren betrat unser Schulleiter das Podest. Er begann eine Rede, die sich zunächst genauso anhörte wie alle davor. Meine Gedanken waren schon wieder im Begriff, abzuschweifen, und schon längst bei der Schwedenreise, da schreckte ich plötzlich auf: »Meine lieben Brüder Sadinam«, sagte der Schulleiter durch das Mikrofon. Ich war völlig überrumpelt von der persönlichen Anrede und merkte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. »Ich freue mich ganz besonders, euch drei vor mir zu sehen. Eure Mitschüler und Lehrer und auch ich haben die Strapazen auf eurem Weg zum Bleiberecht miterlebt. Da, wo wir konnten, haben wir euch unterstützt, und trotzdem standet ihr kurz vor der Abschiebung. Schön, dass es nicht so weit gekommen ist. Hoffentlich empfindet ihr eure Abiturzeugnisse und diesen Tag als eine kleine Belohnung dafür, dass ihr nicht aufgegeben habt.«
    Ich fühlte mich, als hätte etwas jede Zelle meines Körpers zum Vibrieren gebracht. Tiefe Freude durchfuhr mich. Mein Blick fiel auf Milad und Mojtaba, auf ihre erröteten Wangen und strahlenden Augen. Ich drehte mich nach hinten und entdeckte einige Reihen hinter uns Madars lächelndes Gesicht. Neben ihr strahlten auch Mamani und Pedar. Doch dort saß noch jemand, der mir glücklich zuwinkte: Es war Christa. Gestern noch hatte sie gesagt, sie müsse arbeiten, aber sie war doch rechtzeitig gekommen. In den letzten Jahren hatte sie unseretwegen oft gelitten. Schön, dass es heute anders war.
    Uns alle so zu erleben, bereitete mir Genugtuung. Wie gerne hätte ich den Zombies von der Ausländerbehörde jetzt zugeschrien: »Seht ihr, ihr habt alles probiert, uns unterzukriegen, uns zu schikanieren und kleinzumachen! Aber wir haben es geschafft! Unsere Gemeinschaft war stärker als ihr!«
    Jetzt standen uns alle Türen offen. Wir würden durchstarten und zeigen, wozu wir fähig waren. Nach so vielen Jahren der Fremdbestimmung konnten wir endlich unser Leben selbst gestalten. Der Besuch der besten Hochschulen war der erste Schritt dazu.
    Kurze Zeit später hörte ich eine heitere Stimme ins Mikrofon rufen: »Und nun: Die Brüder Sadinam.« Wir standen auf, um die Zeugnisse entgegenzunehmen – unsere Eintrittskarten in ein neues Leben.

9
Gestatten: Elite
    MOJTABA »Der Rektor ist wütend. Er will dich sprechen.« Das waren die letzten Sätze der beiden Uni-Angestellten, deren Büro ich soeben verlassen hatte. Ihre missmutigen Gesichter gingen mir nicht aus dem Kopf und verfolgten mich, als ich die Wendeltreppe erreichte, die nach oben zum Zimmer des Rektors führte. Sie war aus dunklem, massivem Holz und gesäumt von einem prunkvollen Geländer. Ich hatte sie schon einmal betreten: zur Immatrikulation. Ihre Stufen knackten furchtbar und mein Körper verspannte sich allein bei dem Gedanken daran, wie das Geräusch durch die Gänge dieses düsteren Gebäudes hallen würde. Auf keinen Fall hochgehen! , mahnte eine innere Stimme. Es war nicht

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