Unheimlicher Horror: d. übernatürl. Grauen in d. Literatur ; Essay
halbvollendete Verwandlung jenes Opfers in einen Leoparden - das alles sind Bilder, die kein Leser jemals vergessen wird. Der letztendliche Sieg über den bösartigen Zauber mindert weder die Kraft der Geschichte noch die Stichhaltigkeit ihres Geheimnisses.
Lafcadio Hearn, der seltsame, wandernde und exotische Schriftsteller, entfernt sich noch weiter vom Bereich des Wirklichen, und mit der höchsten Kunstfertigkeit eines feinfühligen Dichters erfindet er Phantasien, die einem Autor der handfestbritischen Art unmöglich wären. Seine FANTASTICS, geschrieben in Amerika, enthalten einige der eindrucksvollsten Dämonien der gesamten Literatur; sein KWAIDAN dagegen, geschrieben in Japan, gibt mit unvergleichbarem Können und Einfühlungsvermögen den geisterhaften Legenden und geflüsterten Sagen jenes an Farben so reichen Volkes feste Form. Noch mehr von Hearns sprachlichem Zauber zeigt sich in einigen seiner Übersetzungen aus dem Französischen, besonders bei Gautier und Flaubert. Hearns Fassung der VERSUCHUNG DES HEILIGEN ANZONIUS ist ein Klassiker fiebriger und ausschweifender Bildlichkeit, gekleidet in die Magie singender Worte.
Oscar Wilde lässt sich ebenfalls unter die Autoren des Unheimlichen einreihen, und zwar mit manchen seiner exquisiten Märchen, wie auch mit seinem lebendigen PICTURE OF DORIAN GRAY, in dem ein wunderbares Portrait über Jahre hinweg anstelle des Porträtierten altert und immer gröbere Züge annimmt, während dieser selbst sich
in sämtliche Exzesse des Lasters und Verbrechens stürzt, ohne darob äußerlich an Jugend, Schönheit und Frische zu verlieren. Es kommt zu einem jähen und eindrucksvollen Höhepunkt, als Dorian Gray, schließlich zum Mörder geworden, das Gemälde zerstören will, dessen Veränderungen seine moralische Entartung bezeugen. Er sticht mit einem Messer auf das Bild ein, und ein grässlicher Schrei und ein Sturz sind zu hören; doch als die Diener eintreten, finden sie das Bildnis in seiner ursprünglichen Schönheit. »Auf dem Fußboden lag ein Toter, im Abendanzug, ein Messer im Herzen. Er war verwelkt, voller Runzeln und von abstoßendem Aussehen. Erst als sie die Ringe betrachteten, erkannten sie, wer es war.«
Matthew Phipps Shiel hat viele unheimliche, groteske und abenteuerliche Romane und Erzählungen verfasst, in denen ihm gelegentlich ein hohes Maß an grauenhafter Magie gelingt. Das Fragment »Xelucha« ist von verderblicher Abscheulichkeit, wird aber übertroffen von Shiels unbestrittenem Meisterwerk, THE HOUSE OF SOUNDS, das in den »yellow nineties«, den sensationell = dekadenten neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in einem blumigen Stil geschrieben, dann jedoch im frühen 20. Jahrhundert in künstlerisch strengerer Form überarbeitet wurde. Diese Geschichte verdient in ihrer endgültigen Form einen Platz unter den besten Beispielen ihrer Gattung. Sie erzählt von einem schleichenden Grauen und einer Bedrohung, die sich durch Jahrhunderte auf einer subpolaren Insel vor der norwegischen Küste ausbreiten, wo inmitten peitschender, dämonischer Winde und unaufhörlich tosender Wellen und Katarakte ein rachsüchtiger Toter sich einen ehernen Turm des Schreckens erbaut hat. Das erinnert vage an den »Fall of the House of Usher«, unterscheidet sich aber doch gewaltig von der Geschichte Poes. In dem Roman THE PURPLE CLOUD schildert Shiel mit ungeheurer Kraft einen Fluch, der aus der Arktis kam, um die Menschheit zu vernichten, und der anscheinend zeitweise nur einen einzigen Bewohner unseres Planeten verschont hat. Was dieser einsame Überlebende empfindet, während er seine Lage erkennt und die leichenübersäten, von Schätzen strotzenden Städte der Welt als deren absoluter Herr und Meister durchstreift, wird mit einem künstlerischen Können dargestellt, dem es nur wenig zu wahrer Majestät fehlt. Leider vermag die zweite Hälfte des Buches mit ihrem konventionell romantischen Element die geweckten Erwartungen nicht zu erfüllen.
Bekannter als Shiel ist der findige Bram Stoker, der viele schier entsetzliche Vorstellungen entworfen hat, die er in einer Reihe von Romanen gestaltete, deren armselige Erzähltechnik leider ihre
Gesamtwirkung fürchterlich beeinträchtigt. THE LAIR OF THE WHITE WORM handelt von einem gigantischen, primitiven Wesen, das in einem Gewölbe unter einem alten Schloss lauert, nur ruiniert der Roman die großartige Idee durch eine nahezu infantile Gestaltung. Der Roman THE JEWEL OF SEVEN STARS, in dem es um eine seltsame
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