Unsterbliche Sehnsucht
das Ganze auch so durchstehen. Andererseits … Wenn sie dem Drang zu schluchzen nun nachgäbe, ließe es sich wahrscheinlich rechtfertigen, dem Kerl die Nase einzuschlagen. Denn wenn sie sich unprofessionell verhielt, dann so richtig. Sie würde etwas tun, das sie hinterher total bereute. Der Dekan lächelte sie an und rückte seine Krawatte zurecht, während sie sich auf ihre Atmung konzentrieren musste, da sich eine Panikattacke ankündigte. Die fröhlichen blauen und rosafarbenen Streifen des Binders verliefen haargenau parallel zu den Knöpfen seines weißen Oxford-Hemds, ohne einen auszulassen.
»Ich hab da gerade offenbar etwas nicht ganz verstanden«, sagte sie.
»Wir werden Ihr Labor schließen«, wiederholte der Dekan und ließ seinen Blick von ihrem Kinn weiter hinunter- und danach langsam wieder hinaufwandern. Sie war versucht, den Ausschnitt ihrer weißen Bluse zurechtzuzupfen.
»Weshalb?«
Bleib ruhig!
Sie hatte viel zu hart dafür geschuftet und stand zu kurz davor, endlich Antworten zu finden, als dass sie jetzt aufgeben wollte.
»Wie lange arbeiten Sie nun schon bei uns?«
»Seit drei Jahren.«
Im nächsten Jahr sollte sie eigentlich eine Professorenstelle bekommen. In ihrem Vorstellungsgespräch hatte er ihr in Aussicht gestellt, dass sie für eine frühzeitige Professur infrage komme und bis zu ihrer Prüfung nicht die vollen sechs Jahre zu warten brauche. Sein Versprechen war einer der Gründe gewesen, warum sie sich schließlich dazu entschlossen hatte, nach M City zu ziehen und diese Stelle anzunehmen, wo sie doch überall auf dieser verdammten Welt hätte arbeiten können. Das wussten sie beide. Warum also drohte er ihr nun?
»Ihre Forschungen sind beeindruckend.« Der Dekan lehnte sich in seinem Stuhl zurück und vergrößerte so den Abstand zwischen ihnen. Seine Frau hatte das Hemd entweder schon zu Beginn ihrer Ehe gekauft oder die Figur ihres Mannes nicht wirklich realistisch eingeschätzt. Die Baumwolle spannte sich über dem wohldefinierten Ansatz einer Plauze. Zu viel Fast Food und zu viel Stress, genetisch war der Mann nicht dafür gemacht, mit dieser Doppelbelastung fertigzuwerden. Die Antwort seines Körpers auf diese Beanspruchung: Er bildete einen Rettungsring.
»Vielen Dank«, antwortete sie zurückhaltend. Auch hier wussten sie beide, dass das stimmte.
»Aus diesem Grund würden wir Ihnen gern eine Stelle als Juniorprofessorin in Professor Markoffs Labor anbieten. Damit würden Sie doch einen großen Schritt machen«, fuhr er sanft fort, und dieses Mal ließ er den Blick definitiv von ihrem Gesicht hinunter zu dem schmalen V, das der Ausschnitt ihrer Bluse frei ließ, schweifen. »Vor allem in Anbetracht ihres misslichen Backgrounds.« Er lehnte sich nach vorn und faltete die Hände auf der Tischplatte, als er die Bombe endlich platzen ließ. Entweder kannte er ihre Vorgeschichte mit Markoff nicht oder sie war ihm schlichtweg egal.
»Wie gesagt, Ihre Verdienste in der Forschung sind natürlich beeindruckend, doch die meisten unserer Geschäftspartner arbeiten lieber mit Menschen zusammen.« Er leckte sich über die Lippen.
»Sie glauben also nicht, dass ich ein Mensch bin.« Ihr Labor, ihre Forschungen bedeuteten ihr so viel. Sie war jeden Tag zur Arbeit erschienen und es kamen tatsächlich Studenten in ihre Vorlesungen. Außerdem wusste sie ganz genau, wie viel Geld die Universität mit ihrem Patent für einen DNA -Test, den man in der Drogerie kaufen konnte, verdient hatte. Man musste lediglich auf ein Stäbchen pinkeln, um herauszufinden, was man war. Doch ganz offensichtlich zählte nun keine dieser Leistungen mehr, und das nur wegen eines zusätzlichen Chromosoms.
Eines Chromosoms, das sie eindeutig als paranormal auswies.
Das Problem war nur, dass sie sich ebenso eindeutig wie ein Mensch fühlte.
»In den Statuten der Universität gibt es keine Regelung, die es Paranormalen verbietet, einen Lehrauftrag anzunehmen.« Sie fühlte sich dazu genötigt, den Dekan an diese Tatsache zu erinnern. »Sie haben vor mir schon andere Paranormale an dieser Universität beschäftigt. Es gibt keine Mitarbeiterrichtlinie der Fakultät, die dagegenspräche.« Das hatte sie nach ihrer unerfreulichen Entdeckung doppelt und dreifach überprüft.
Er blickte selbstgefällig drein. »Sie haben uns diese Information vorenthalten, als wir Sie einstellten.«
»Damals wusste ich es ja auch noch nicht«, blaffte sie ihn an. »Sie können mir glauben, dass es für mich genauso ein Schock
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