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Unter dem Schwertmond

Unter dem Schwertmond

Titel: Unter dem Schwertmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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denen des Shallad Soldaten postiert sind. Irgendwo weit hinter den Drei Schwärenden Fingern.«
    Luxon fasste unwillkürlich nach Alton, dem leuchtenden Schwert, und fragte verblüfft: »Wohinter?«
    »Nach einigen Felsen, die wie drei von Geschwüren zerfressene Finger aussehen!« beharrte der Pfader.
    »Wann erreichen wir sie?«
    »Etwa zum höchsten Stand der Sonne«, entgegnete der Pfader. »Falls sich das Gestirn hinter dem Nebel oder den mannigfachen Zeichen der Düsterzone zeigen sollte.«
    Der Pfader, also ein Kundiger der Pfade, Wege, Straßen und Gefahren, war Luxon in einer Hafenschenke Sarphands aufgefallen. Für einen beträchtlichen Haufen Münzen hatte er ihn in seine Dienste genommen. Ihn tröstete der Umstand, dass zwei Drittel des Pfader-Lohnes erst in Logghard fällig wurden, also am Ende der Reise. Risiko, meinte Luxon stets, sollte gleichmäßig verteilt werden, und überdies war Vorsicht die Leidenschaft des Alltags. Er vergewisserte sich, dass der Sonnenschild mit einem schnellen Griff aus der Schlinge am Sattelhorn glitt, und fragte zurück: »Und was bedeutet diese Wolke aus Staub, Sand, Dampf oder anderen geheimnisvollen Bestandteilen, Pfader?«
    Das Gesicht des Mannes, der ihm bisher treu und zuverlässig gedient hatte, wechselte die Farbe. Zuerst wurde die sonnengebräunte Haut fahlweiß, dann, als der Pfader sah, was Luxon meinte, rötete sich sein Antlitz. Nach einigen Augenblicken stieß er wütend und beschämt hervor: »Es kann nur eines bedeuten, Herr!«
    Luxon stieß ein grimmiges Gelächter aus und schob den Sternenbogen auf der Schulter zurecht. »Kampf, nicht wahr?«
    »Ja. Eine Karawane wird von Wegelagerern überfallen. Sie nisten in Klüften und Schrunden, wie man sagt.«
    »Wie man sagt«, erklärte Luxon und stellte sich aufrecht in die Steigbügel, »ist das Leben eine raue Angelegenheit. Ich sehe nach, wie rau das Leben dort hinter den Felsen ist und ob sich für uns vielleicht ein Vorteil aus dem Geschehen ergeben kann.«
    Er setzte die Sporen ein, fing die Stöße des Pferdekörpers in den Knien ab und dachte, verblüffenderweise, wieder einmal an Mythor. Andererseits war er sicher, dass er ihn dort an der Stelle der Sandwolke nicht treffen würde. Die Hufe seines schnellen, ausgeruhten Tieres schlugen unter ihm einen harten Trommelwirbel auf dem festgebackenen Sand. Luxon band den Helm fest und griff über die Schulter. Langsam zog er den geschweiften Bogen von der Schulter und spähte nach vorn.
    Diese Welt, und wer wüsste es besser als Arruf-Luxon aus der Gosse von Sarphand, war hart, unbarmherzig und grausam. Magie und Heldentum, finsterste Abgründe menschlicher Bosheit, Großzügigkeit und Grausamkeit, Gewinnstreben und Edelmut bildeten ein chaotisches Durcheinander. Nur die Besten überlebten, und dies nicht immer. Was heute als Geste der Schwachheit galt, war morgen der Schlüssel zur Macht. Langes Nachdenken und kluge, in stillen Nächten gefasste Überlegungen… am nächsten Morgen waren sie zerstoben wie dünner Nebel. Auch jetzt würde er versuchen, zu überleben und aus allem das Beste zu machen. Er ahnte nicht, was er hinter dem nächsten Felsen sehen würde, aber zweifellos gab es Kampf. Luxon vergaß den Pfader, der versuchte, mit ihm Schritt zu halten.
    Und nach einem rasenden Rennen, der seinen fahlbraunen Hengst nicht erschöpfte, bog er in gestrecktem Galopp um eine Felskante.
    Er brauchte nur zehn Herzschläge lang, um zu erkennen, was sich vor ihm abspielte. Oder genauer: was sich abgespielt hatte, denn die Verteidiger der Karawane waren bis auf wenige Ausnahmen dahingemetzelt worden. Seine Hand zuckte über die Schulter, ergriff einen Pfeil des Mondköchers und schwang ihn auf die Sehne des Bogens. Luxon nahm die richtige Haltung im Sattel ein, die einen sicheren Schuss gewährleistete.
    Während der Hengst, nur durch Zuruf und Schenkeldruck gelenkt, ihm in jeder Faser gehorchte und danach trachtete, sich nicht besonders stark zu bewegen, federte Luxon die Stöße des Pferdekörpers ab. Der Bogen und der Pfeil auf der Sehne blieben waagrecht und fast unverändert in der Luft schweben, ebenso die drei Finger, von denen die Sehne, und die Hand, von der der Bogen gehalten wurde. Ein verirrter Sonnenstrahl brach sich funkelnd im Zielstein.
    Dann schwirrte der erste Pfeil von der Sehne. Luxon sah gar nicht mehr hin; er wusste, dass das Geschoß traf. Der zweite Pfeil lag auf der Sehne, der dritte folgte dem zweiten, und der vierte traf ebenso sein

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