Unter dem Teebaum
Familie.«
Er ging zurück zum Haus und holte von dort ein wenig weiße Farbe. Mit dem Finger tunkte er in die Farbe und zeichnete Jonah zwei weiße Striche auf jede Wange.
Dann schwieg er lange, begann plötzlich zu summen, und Jonah erkannte das Lied, das ihm Aluunda und seine Mutter oft vorgesungen hatten, und sang leise mit.
Als dieses Ritual beendet war, straffte der alte Mann die Schultern und sagte: »Ja, ich habe gesehen, was damals geschehen ist. Steve Emslie schlug den alten Master, der ein Freund von Orynanga und den Damalas gewesen war, mit einem Handkantenschlag in den Nacken nieder. Dann nahm er das Beil und hieb es Jonah über den Kopf. Er war sofort tot und stürzte auf den Boden. Sein Blut lief aus ihm heraus wie aus einem leeren Gefäß. Steve kniete sich neben den Master und drückte die Axt in seine Hand. Orynanga stand hinter einem Baum und sah alles. Dann kam die kleine Missus Amber und sah ihren Jonah tot am Boden liegen. Steve schlug den alten Master ins Gesicht, damit er wieder aufwachte. ›Warum haben Sie ihn getötet?‹, hörte ich ihn fragen. Später vergruben sie die Leiche. Missus Amber hielt den Leib unseres Jonah wie ein Baby. Sie litt sehr. Als sie fertig waren, gingen der Master und die Missus wie betäubt zum Haus zurück. Nur Steve stand da und grinste hämisch. Ich trat aus meinem Versteck hervor und zeigte mit dem weißen Knochen auf ihn. Steve Emslie erstarrte, doch im selben Augenblick sprang sein Hund vor ihn. Ihn traf der Fluch des Knochens, während Steve ungeschoren davonkam. Er muss einen bösen Geist in sich getragen haben, der stärker war als mein Fluch. Deshalb ist der Clan der Damalas von seinem Land gegangen. Unser Land war verflucht, die Ahnen daraus vertrieben.«
Jonah und Ralph hatten stumm zugehört. Der Junge schluckte und befühlte die weißen Striche in seinem Gesicht. Dann sagte er: »Wenn die Damalas das Land der Ahnen zurückhaben wollen, dann musst du, Orynanga, mit uns kommen. Meine Mutter sitzt im Gefängnis. Nur du weißt, wie es wirklich war.«
Orynanga schüttelte den Kopf. »Ich bin zu alt für eine Reise, höre manchmal schon in der Nacht den Gesang der Ahnen, die mich zu sich holen wollen. Es ist zu spät, Jonah, Sohn des Jonah.«
»Walter war dein Freund. Ich bin ein Teil deiner Familie. Du musst uns helfen«, drang Jonah weiter in den alten Mann.
»Man wird mir nicht glauben, Jonah. Es ist so viel Zeit vergangen. Wer wird etwas auf die Worte eines alten schwarzen Mannes geben?«
»Wir sollten es wenigstens versuchen. Das bist du deinem Land und deinen Ahnen schuldig. Das bist du meinem Vater, meiner Mutter und meinem Großvater schuldig.«
Ralph wusste nicht, woher Jonah den Mut nahm, so mit dem Oberhaupt des Clans zu sprechen, zu dem er zwar gehörte, dem er aber nie angehört hatte.
»Ich möchte am Fuße des Uluru sterben«, sagte Orynanga.
»Ich verspreche dir, dass ich dich zurückbringen werde.«
Eine Weile schwiegen die Männer. Langsam erwachte in Ralph die Ungeduld. Doch so, wie Jonah scheinbar instinktiv wusste, wie er sich verhalten musste, so wusste auch Ralph, dass ein Weißer hier nichts zu sagen hatte.
Endlich – Ralph hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, das Flugzeug noch pünktlich zu erreichen – stand der alte Mann auf.
»Ich komme mit euch«, sagte er schlicht und ging mit langsamen Schritten Richtung Parkplatz.
Orynanga hatte das Gut betreten, ohne eine Miene zu verziehen. Es schien, als fürchtete er sich vor dem Zusammentreffen mit der Vergangenheit. Doch Aluunda begrüßte ihn so herzlich, als handelte es sich um einen lang vermissten Verwandten. Und so ähnlich war es ja auch.
Jonah zeigte dem alten Mann die Reste seiner Teebaumplantage. Saleem hatte bereits mit dem Wiederaufbau begonnen.
»Ich möchte nicht nur Teebäume pflanzen, um daraus Heilöl herzustellen, sondern auch, um den Damalas einen Platz in den Kronen zu geben.«
Orynanga nickte stumm, doch sein Blick ruhte voller Stolz auf Jonah.
»Du bist wie dein Vater«, sagte er. »In deinen Adern fließt schwarzes Blut.«
Am Abend kam Silvio Creally, um Orynanga zu begrüßen.
Auch er war der Ansicht, dass die Aussage des alten Mannes vor der Polizei nicht viel wog. Trotzdem hatte er für den nächsten Morgen einen Termin mit dem Staatsanwalt vereinbart.
Die drei Männer saßen auf der Veranda, als Bob hinzugestürzt kam.
»Steve Emslie sitzt im Pub in Tanunda«, sprudelte er hervor. »Er ist angetrunken und schmeißt eine Lokalrunde
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