Unter dem Teebaum
nach der anderen. Er hat ein Testament Walter Jordans dabei, das vor fünfundzwanzig Jahren ausgestellt wurde und ihm die Hälfte des Guts verspricht. Er erzählt, er hätte sich erkundigt. Das neue Testament, das der Master nach dem Schlaganfall aufsetzen ließ, ist nicht gültig, weil es nicht handgeschrieben ist. Wenn die Missus im Gefängnis bleibt, wird er wieder nach Carolina Cellar zurückkehren. Die Hälfte des Guts gehört dann ihm, die andere Hälfte Jonah und Emilia.«
»Auch das noch«, stöhnte Creally. »Als ob der Fall nicht schon ohnehin kompliziert genug wäre.«
Wieder einmal kratzte er sich am Kinn, bevor er weitersprach: »Um Testamente und Erbkriege kümmern wir uns später. Zunächst geht es um Mord.«
Dann verabschiedete er sich, um am nächsten Morgen hellwach mit Orynanga vor dem Staatsanwalt erscheinen zu können.
»Hm«, brummte der Staatsanwalt, als Orynanga seine Geschichte erzählt hatte. »Haben Sie Beweise für Ihre Angaben?«
Orynanga schüttelte den Kopf. »Ich kann nur berichten, was ich gesehen habe.«
»Hm«, brummte der Staatsanwalt erneut. »Sie sind ein alter Mann, Mister Orynanga. Oftmals spielen die Erinnerungen uns im Alter einen Streich. Sind Sie wirklich sicher, das Angegebene mit eigenen Augen gesehen zu haben? Immerhin sind Jahrzehnte seitdem vergangen.«
»Ich habe gesehen, was ich gesehen habe«, erwiderte der Eingeborene stolz.
»Warum ziehen Sie die Aussage meines Zeugen in Zweifel?«, wollte Creally wissen. »Immerhin steht nun Aussage gegen Aussage.«
Der Staatsanwalt zog ein Gesicht, in dem deutlich zu lesen war, dass ihm dieser Fall ganz und gar nicht schmeckte. Er war in einer verzwickten Situation. Die Ermittlungen traten auf der Stelle, kein Wunder, nach so langer Zeit. Die Obduktion der Leiche hatte auch nichts Neues erbracht.
Im Grunde hatte er nicht mehr als die Aussage Orynangas und die Aussagen von Steve Emslie und seinem windigen ehemaligen Angestellten, dessen Vorstrafenregister nicht eben kurz war.
»Hm«, brummte er noch einmal und dachte an seine Karriere. Wenn er Amber zu Unrecht des Mordes bezichtigte und später herauskam, dass der Schwarze doch recht hatte, so war seine Laufbahn beendet. Verurteilte er die weiße Frau nicht, dann saßen ihm sämtliche Aborigine-Vereinigungen im Nacken – und die Vertreter der Regierung obendrein.
Creally beobachtete das Gesicht des Staatsanwaltes sehr genau. Er hatte noch immer das Geständnis Walter Jordans in der Tasche, doch das nützte niemandem mehr. Steve Emslie beschuldigte seine Frau, Jonah umgebracht zu haben. Die Gründe dafür konnte sich Creally denken. Es ging um gekränkte Eitelkeit, es ging um Rache, es ging letztendlich auch um Geld.
Orynanga dagegen beschuldigte Steve Emslie, und der Staatsanwalt wusste weder ein noch aus.
»Was werden Sie denn nun tun?«, fragte Creally hinterhältig und genoss es sehr, den Staatsanwalt in der Klemme zu wissen.
»Nun«, stammelte der Mann. »Wir werden unsere Ermittlungen verstärken.«
Creally lächelte. »Glauben Sie, dass das etwas bringt?«
»Wir tun alles, was in unserer Macht steht«, erwiderte der Staatsanwalt. Sein Gesicht wirkte, als würde er am liebsten zu weinen beginnen.
Auf diesen Moment hatte Creally nur gewartet. »Ich habe einen Vorschlag«, sagte er. »Wollen Sie ihn hören? Er entspricht nicht unbedingt den Konventionen, aber mir scheint er tauglich.«
Der Staatsanwalt seufzte. Ihm war inzwischen alles recht, was ein wenig Licht in diese dunkle Geschichte brachte, die das Ende seiner Karriere bedeuten konnte. »Lassen Sie hören!«
»Steve Emslie fürchtet sich bekanntermaßen vor den Aborigines. Er weiß um den Fluch des weißen Knochens, der den Tod bringt. Ich habe sogar gehört, dass er als Kind einmal miterlebt hat, wie jemand, der ihm sehr nahestand, von diesem Fluch getötet wurde. Er hat Angst. Und diese Angst ist unsere einzige Chance.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte der Staatsanwalt und setzte sich aufrecht hin.
»Steve Emslie ist Stammgast im Pub von Tanunda. Meist trinkt er ein wenig über den Durst. Es könnte gut sein, dass er eines Nachts beim Verlassen des Pubs auf Orynanga trifft, den er längst vergessen zu haben glaubt. Nun, ich stelle mir vor, was in einem Mann wie Emslie vor sich geht, wenn plötzlich ein Eingeborener vor ihm steht und ihm mit dem weißen Knochen droht. Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Staatsanwalt. Niemand wird hier Morddrohungen ausstoßen und damit gegen das Gesetz
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