Unter Strom - ein Mira-Valensky-Krimi
wenig zurückstecken. Oder zumindest zu joggen beginnen. So wie ich. Stopp, Mira: Nach ein paar Tagen Gekeuche fühlst du dich schon überlegen? Na ja, ich probiere das mit dem Laufen wenigstens, Oskar weist derartige Bewegung als übertrieben von sich.
Ich habe versprochen, aus Anlass meiner Rückkehr zu kochen. Am besten, ich verwende das, was mir Eva mitgegeben hat. Noch so eine tüchtige, arbeitsame Person in meiner Umgebung: Führt gemeinsam mit ihrer Tochter Martina den großen Winzerhof, heimst für ihre Weine eine Auszeichnung nach der anderen ein, fährt auf Präsentationen bis Amerika. Und ich? Ich fürchte mich, wenn über mir Hubschrauber kreisen, und recherchiere dann nicht einmal vor Ort, was das soll. Eine fleißige Journalistin hätte sich durch den Wald wieder angeschlichen, hätte Fotos gemacht, zu lauschen versucht. Ich hätte auch ins Treberndorfer Wirtshaus gehen und mich dort umhören können, ich hätte den Bürgermeister zu möglichen Bedrohungen für die Gasstation interviewen können. Stattdessen habe ich ausführlich gefrühstückt, bin dann in der Sonne gesessen und habe mit Eva zu Mittag gegessen. Durch das Gerenne steigt mein Appetit enorm. Dabei wollte ich doch durch Joggen ein paar Kilo verlieren. Okay: Es wird bloß ein leichtes Abendessen geben. Und davor werde ich mich an den Laptop setzen und nachsehen, ob ich etwas über die Bundesheerübung mit den sechs Hubschraubern finde. Oder sind es doch nur fünf gewesen?
Gismo hat sich unterdessen auf unsere Dachterrasse verzogen. Sie liegt in der Nachmittagssonne und ihr ist es restlos egal, dass sie nicht fleißig ist. Ich sollte mich zu ihr setzen. Ich gehe hinaus, streichle die Schildpattkatze, die mich jetzt schon sechzehn Jahre begleitet. Besser gar nicht daran denken, dass sie für eine Katze schon ziemlich alt ist. Ich werde ihr später ein paar Oliven geben. Ich sage es ihr. Gismo schnurrt, ihre Barthaare vibrieren. Ich sehe zum Korbsessel hinüber, richte mich auf. Ziehen in den Oberschenkeln. Aber das ist gut so, ein Zeichen, dass sich etwas tut in den Muskeln.
Die Zucchini ist schon ziemlich groß. An sich mag ich die ganz kleinen lieber. Aber sie ist frisch, sie ist sicher reif und ihre Haut ist noch zart. Ich überlege und schneide sie in dicke Scheiben, steche mit einem Glas das weiche Innere rund um die Kerne aus. Dann teile ich sie in Segmente, salze sie, lege sie in eine Schüssel und decke sie zu. Ich starte meinen Laptop. Durch die Glastür zur Terrasse sehe ich auf die Dächer der Wiener Innenstadt. Ich sollte nie vergessen, wie gut es mir geht. Krieg … unvorstellbar. Als meine Eltern Kinder waren, hat der Zweite Weltkrieg getobt. Sechs Jahre lang. Mit Bomben und Hunger und Hetze und Hass und geliebten Menschen, die nicht mehr zurückgekommen sind. Kann man sechs Jahre Krieg je vergessen? Verdunkelung. Sirenengeheul. Luftschutzkeller. Seltsam, wie selten meine Eltern darüber reden. Wobei … eigentlich ist der Wahnsinn noch viel näher. Mitten in Europa. Meine Freundin Vesna ist während des Kriegs in Jugoslawien mit ihren kleinen Zwillingen nach Österreich gekommen. Auch sie redet so gut wie nie davon, was sie damals daheim in Bosnien erlebt hat. Was muss geschehen sein, dass sogar die mutige Vesna geflohen ist? Oder hat sie das, was sie gesehen hat, erst unerschrocken gemacht? Irgendwann einmal hat sie erzählt, dass sie sich an der Grenze zu Österreich geschworen hat, neu anzufangen, das alte Leben zu vergessen. Vielleicht ist ein Bundesheer, um Kriege zu verhindern, doch ganz gut. Allerdings: Wer führt denn Krieg, wenn nicht Heere? – Immer häufiger sind es Kriege zwischen staatlichen Truppen und welchen, die politische Veränderungen wollen. Ein großer Unterschied für die betroffene Bevölkerung? Kann es Kriege geben, die um der Freiheit willen gekämpft werden müssen?
Ich gebe die Suchbegriffe „Bundesheer Übung Treberndorf Gasstation“ ein. Kein Ergebnis. Wie geheim ist es eigentlich, was die dort gemacht haben? Jedenfalls stand eine Notiz in der Gemeindezeitung. Und mehrere Hubschrauber sind nicht einfach zu verstecken. Ich suche die Nummer des Gemeindeamts von Treberndorf und rufe an. Eine freundliche Konservenstimme teilt mir mit, dass ich die Amtszeiten verpasst habe. Schicksal. Aus der Schweinsschulter könnte ich ein Ragout machen. Vielleicht exotisch gewürzt …
Ingwer hab ich, wie meistens, im Kühlschrank. Ich schneide ein großes Stück davon ganz fein. Ich röste ihn gemeinsam mit
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