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Unterm Birnbaum

Unterm Birnbaum

Titel: Unterm Birnbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kegelbahn hin, vermied sie.
    Hradscheck, der immer noch an die Möglichkeit einer Wiederherstellung gedacht hatte, sah jetzt auch, wie's stand, und als der heimlich zu Rate gezogene Doktor Oelze von Abzehrung und Nervenschwindsucht gesprochen, machte sich Hradscheck auf ihr Hinscheiden gefaßt. Daß er darauf gewartet hätte, konnte nicht wohl gesagt werden: im Gegenteil, er blieb seiner alten Neigung treu, war überaus rücksichtsvoll und klagte nie, daß ihm die Frau fehle. Er wollt auch von keiner andern Hilfe wissen und ordnete selber alles an, was in der Wirtschaft zu tun nötig war. Vieles tat er selbst. »Is doch ein Mordskerl«, sagte Kunicke. »Was er will, kann er. Ich glaub, er kann auch einen Hasen abziehn und Sülze kochen.«
    An dem Abend, wo Kunicke so gesprochen, hatte die Sitzung in der Weinstube wieder ziemlich lange gedauert, und Hradscheck war noch keine halbe Stunde zu Bett, als Male, die jetzt oben bei der Kranken schlief, treppab kam und an seine Tür klopfte.
    »Herr Hradscheck, steihn S' upp. De Fru schickt mi. Se sülln ruppkoamen.«
    Und nun saß er oben an ihrem Bett und sagte: »Soll ich nach Küstrin schicken, Ursel? Soll Oelze kommen? Der Weg ist gut. In drei Stunden ist er hier.«
    »In drei Stunden...«
    »Oder soll Eccelius kommen?«
    »Nein«, sagte sie, während sie sich mühvoll aufrichtete, »es geht nicht. Wenn ich es nehme, so sag ich es.«
    Er schüttelte verdrießlich den Kopf.
    »Und sag ich es
nicht
, so eß ich mir selber das Gericht.«
    »Ach, laß doch
das
, Ursel. Was soll
das
? Daran denkt ja keiner. Und ich am wenigsten. Er soll bloß kommen und mit dir sprechen. Er meint es gut mit dir und kann dir einen Spruch sagen.«
    Es war, als ob sie sich's überlege. Mit einem Mal aber sagte sie: »Selig sind die Friedfertigen: selig sind, die reines Herzens sind; selig sind die Sanftmütigen. All die kommen in Abrahams Schoß. Aber wohin kommen
wir

    »Ich bitte dich, Ursel, sprich nicht
so
. Frage nicht so. Und wozu? Du bist noch nicht soweit, noch lange nicht. Es geht alles wieder vorüber. Du lebst und wirst wieder eine gesunde Frau werden.«
    Es klang aber alles nur an ihr hin, und Gedanken nachhängend, die schon über den Tod hinausgingen, sagte sie: »Verschlossen... Und was aufschließt, das ist der Glaube. Den hab ich nicht... Aber is noch ein andres, das aufschließt, das sind die guten Werke... Hörst du. Du mußt ohne Namen nach Krakau schreiben, an den Bischof oder an seinen Vikar. Und mußt bitten, daß sie Seelenmessen lesen lassen... Nicht für mich. Aber du weißt schon... Und laß den Brief in Frankfurt aufgehen. Hier geht es nicht und auch nicht in Küstrin. Ich habe mir's abgespart dies letzte halbe Jahr, und du findest es eingewickelt in meinem Wäschschrank unter dem Damasttischtuch. Ja, Hradscheck,
das
war es, wenn du dachtest, ich sei geizig geworden. Willst du?«
    »Freilich will ich. Aber es wird Nachfrage geben.«
    »Nein. Das verstehst du nicht. Das ist Geheimnis. Und sie gönnen einer armen Seele die Ruh!«
    »Ach, Ursel, du sprichst soviel von Ruh und bangst dich und ängstigst dich, ob du sie finden wirst. Weißt du, was ich denke?«
    »Nein.«
    »Ich denke, leben ist leben, und tot ist tot. Und wir sind Erde, und Erde wird wieder Erde. Das andre haben sich die Pfaffen ausgedacht. Spiegelfechterei, sag ich, weiter nichts. Glaube mir, die Toten
haben
Ruhe.«
    »Weißt du das so gewiß, Abel?«
    Er nickte.
    »Nun, ich sage dir, die Toten stehen wieder auf...«
    »Am Jüngsten Tag.«
    »Aber es gibt ihrer auch, die warten nicht so lange.«
    Hradscheck erschrak heftig und drang in sie, mehr zu sagen. Aber sie war schon in die Kissen zurückgesunken, und ihre Hand, der seinigen sich entziehend, griff nur noch krampfhaft in das Deckbett. Dann wurde sie ruhiger, legte die Hand aufs Herz und murmelte Worte, die Hradscheck nicht verstand.
    »Ursel«, rief er, »Ursel!«
    Aber sie hörte nicht mehr.
     
Fünfzehntes Kapitel
     
    Das war in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag gewesen, den letzten Tag im September. Als am andern Morgen zur Kirche geläutet wurde, standen die Fenster in der Stube weit offen, die weißen Gardinen bewegten sich hin und her, und alle, die vorüberkamen, sahen nach der Giebelstube hinauf und wußten nun, daß die Hradscheck gestorben sei. Schulze Woytasch fuhr vor, aussprechend, was er sich bei gleichen Veranlassungen zu sagen gewöhnt hatte, »daß ihr nun wohl sei« und »daß sie vor ihnen allen einen guten Schritt

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