1432 - Die Fratze der Nonne
Kühle und Frische – darauf freute sich die Frau mit den dunkelbraunen Haaren. Sie bewegte sich vorsichtig auf das Ufer zu. Auf dem Weg lagen Steine, und sie musste aufpassen, dass sie sich nicht an scharfen Kanten die Haut aufriss.
Da sie den Weg zum See nicht zum ersten Mal ging, kannte sich Elvira gut aus. Sie lächelte und summte zugleich eine Melodie vor sich hin.
Sie hatte keine Angst, dass sie beobachtet wurde. Dieser Flecken Erde war ihr kleines Refugium. Hier ging sie öfter schwimmen, und bisher war ihr noch niemand gefolgt.
Elvira erreichte das Wasser. Obwohl der See sie lockte, blieb sie noch für eine Weile am Ufer stehen und schaute über die dunkle Fläche hinweg zur anderen Seite.
Viel war dort nicht zu erkennen. Das Ufer lag unter dem Mantel der Dunkelheit verborgen. Die Bäume auf den Hügeln, die den See umgaben, verschmolzen mit dem dunklen Himmel. Die Natur hatte hier wirklich ein Kleinod geschaffen.
Die Stille des Tages war von einer noch stärkeren der Nacht abgelöst worden. Die einzigen Geräusche gaben die Mücken ab, die in der Nähe des Wassers summten.
Elvira streckte den rechten Fuß vor und erschauerte wohlig. Die Hitze des Tages hatte den See nur an der Oberfläche aufheizen können. Auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln, als sie in den See hineinging.
Als das Wasser ihre Hüften erreichte, warf Elvira den Körper nach vorn und begann zu schwimmen. Mit ruhigen Armzügen näherte sie sich der Mitte des Gewässers und freute sich darüber, wie ihr Körper vom kühlen Wasser umspült wurde.
Das Ufer blieb hinter ihr zurück. Dass sie trotz der Einsamkeit und Stille beobachtet werden könnte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Sie war völlig sorglos.
Das war ein Fehler…
***
Die beiden Männer hatten sich einen guten Platz ausgesucht. Ihr Versteck lag am Hang und nicht sehr hoch über dem See. Die Natur hatte eine Mulde in den Boden gewaschen, in der Gesträuch wuchs.
Die Männer hatten sich so lautlos wie möglich verhalten und immer einen gewissen Abstand zu ihrem Opfer gehalten. Aus diesem Grund waren sie auch nicht von der Frau entdeckt worden. Sie hatten es sich in ihrem Versteck bequem gemacht.
Und sie hatten genau den richtigen Zeitpunkt erwischt. Schräg unter ihnen ging die nackte Frau auf das Wasser zu. Sie sahen die Rückseite ihres Körpers, die helle Haut und das halblange Haar, das bei jedem Schritt wippte.
»Das ist sie!«
»Ja, und wie.«
»Endlich!«
»Was meinst du?«
»Nackt.« Ein scharfes Lachen folgte. »Wir haben sie doch schon immer nackt sehen wollen.«
»Richtig.« Der Sprecher leckte über seine Lippen. Dann zog er die Nase hoch und sprach weiter. »Aber wir werden sie auch noch aus der Nähe sehen, das schwöre ich dir.« Er rieb seine Hände. »Das wird ein Fest, ein richtiges Fest.«
»Und sie kann nicht mehr weg.«
»Genau.«
»Bleibt es bei unserem Plan?«
Die Antwort erfolgte nicht sofort, weil die Blicke des Mannes der nackten Frau folgten. Er sah, dass sie jetzt in den See ging.
»He, bleibt es dabei?«
»Klar, verdammt!«
»Dann komm.«
Die Männer zögerten nicht länger. Sie erhoben sich.
Als die Frau die ersten Schwimmbewegungen machte, verließen die beiden Voyeure ihre Deckung. Sie wollten zu einem bestimmten Platz und dort auf die Schwimmerin warten. Dass sie dorthin zurückkehren würde, stand fest.
Die Männer kannten die Gegend. Obwohl sie schräg über den Hang zum See hinab gingen, rutschten sie nicht ab. Es löste sich kein Stein unter ihren Sohlen.
Es gab keinen Weg, der zum Wasser hinabführte, aber gewisse Stellen auf dem Hang, die flacher waren als andere. Eine dieser Stellen war ihr Ziel. Denn dort hatte die Frau ihre Kleidung abgelegt.
Beide Männer lachten, als sie davor stehen blieben. Es war keine normale Kleidung.
Zu ihren Füßen lag die Tracht einer Nonne…
***
Nach dem glutheißen Tag war das kühle Wasser für die Badende eine Offenbarung. Sie hielt den Kopf erhoben und schwamm mit ruhigen Bewegungen der Seemitte entgegen. Um sie herum war nur das leise Plätschern der Wellen zu hören. Hoch über ihr wölbte sich ein dunkler Himmel, der von wenigen Wolken bedeckt war. In den breiten Lücken zwischen ihnen glitzerten die Sterne wie Diamanten, denn auch sie gaben ein kaltes Licht ab, das aber die Erde nicht erhellte.
Es war einfach nur wunderbar, in diesem Gewässer zu schwimmen und von einer lautlosen Einsamkeit umgeben zu sein. Sie spürte die Kühle überall an ihrem Körper, und sie
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